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Berlin: Topographie: Star-Architekt Zumthor muss gehen

Seine Ideen sind Bund und Land zu teuer. Bau der Gedenkstätte für Opfer des Nazi-Terrors wird neu ausgeschrieben

Von Sabine Beikler

Der Ort der Pressekonferenz spricht für sich: Draußen drängen sich die Besuchermassen wie jeden Tag an der provisorischen Open-Air-Dokumentationswand vorbei, die die Stiftung mangels eines eigenen Gebäudes am Rand des Geländes errichtet hat. Im Hintergrund, von zwei Kränen überragt, stehen die drei Treppentürme – das Einzige, was in den neun Jahren Bauzeit von Peter Zumthors eigenwilligem Stabwerksbau errichtet wurde. Später flattert von den Kränen ein Plakat: „Stoppt den Baustopp jetzt“. Und in der Besucherbaracke, in der sonst Kataloge verkauft werden, wirft Christina Weiss einen melancholischen Blick auf das weiße Modell, das Zumthors Entwurf präsentiert: „Es war ein schöner Traum, für uns alle. Nun ist er vorbei.“

Seit Dienstag morgen steht fest: Die Gedenkstätte Topographie des Terrors, die daran erinnert, dass sich zwischen 1933 und 1945 auf dem Gelände die Zentralen des NS-Verfolgungsapparates befanden, wird nicht mehr vom Schweizer Architekten Peter Zumthor gebaut. Die Bauherren Bund und Land, die den Neubau des Dokumentationszentrum zu jeweils 50 Prozent finanzieren, haben sich offiziell von Zumthor getrennt. Damit beginnt eine neue Bauplanung. Der Bund übernimmt die Bauträgerschaft. In zwei Jahren soll der erste Spatenstich getätigt werden, in vier Jahren der Bau fertig sein. Über die Entscheidung war Zumthor, der sich am Dienstag in seinem Büro im Schweizer Kanton Graubünden aufhielt, vorab nicht informiert worden.

Die Entscheidung ist Folge einer Machbarkeitsstudie des Bundesbauministeriums. Darin ließ der Bund erneut prüfen, ob sich das Zumthor-Gebäude mit seiner komplizierten Stabwerkkonstruktion tatsächlich in dem vorgesehenen Kostenrahmen von 38,8 Millionen Euro realisieren lasse. Die Behörde ermittelte zusätzliche finanzielle Risiken von drei bis fünf Millionen Euro. Auch die Bearbeitung des Geländes sowie die Einrichtungs- und Betriebskosten seien nicht gesichert. Die mit der Baudurchführung beauftragte Senatsbauverwaltung unter dem inzwischen zurückgetretenen Bausenator Peter Strieder (SPD) hatte die Machbarkeit des Baus immer wieder betont. Die Realisierung jedoch hatte sich von Jahr zu Jahr verzögert, zwei Baufirmen waren darüber in Konkurs gegangen. Aus Verärgerung über die jahrelange Verzögerung hatte Ende April Reinhard Rürup, wissenschaftlicher Direktor der Topographie des Terrors, seinen Rücktritt erklärt.

Die Schnelligkeit der Entscheidung jetzt kam überraschend: Erst am Montag hieß es, dass Kulturstaatsministerin Weiss am Donnerstag mit Bausenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) und Kultursenator Thomas Flierl (PDS) über die Zukunft der Topographie beraten wollte. Zumthor, der für Donnerstag seine Teilnahme an Alice Strövers „Kultursalon“ in der Volksbühne zugesagt hatte, hatte am Montag die Teilnahme abgesagt. Ströver sagte dem Tagesspiegel, Zumthor habe mit der Begründung abgesagt, es seien „zu viele Kritiker“ seines Entwurfs eingeladen worden. Die Vorsitzende des Kulturausschusses bezeichnete die Entscheidung, sich von Zumthor zu trennen, als „Chaos pur“.

Die Berliner Bauverwaltung ist auf einen Rechtsstreit mit Zumthor vorbereitet, hofft aber, mit den noch fälligen Honorarkosten den Architekten zufrieden zu stellen. Die Summe der verbrauchten Mittel werde, so Berlins Bausenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD), „weniger als 15 Millionen Euro“ betragen – immerhin ein Drittel der auf 38,8 Millionen Euro veranschlagten Gesamtkosten.

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