zum Hauptinhalt

Berlin: Torte, Tipi, Tingeltangel

Bar jeder Vernunft und Zelt am Kanzleramt feiern im Juni Doppelgeburtstag Ein Geschenk gibt’s jetzt schon: Das Musical „Cabaret“ bleibt in Berlin

Kunst, Kultur und Schönheit eine Abfuhr erteilen! Das war laut Prinzipal Holger Klotzbach, 61, das erklärte Anfangskonzept der Bar jeder Vernunft. Aber – und jetzt grinst er – so ganz habe das dann doch nicht geklappt.

Am 5. Juni ist es auch schon wieder 15 Jahre her, dass Ex-Kabarettist Klotzbach („Die drei Tornados“), mit einer weiteren Gründung frischen Wind in die Berliner Kulturszene brachte. Vorher war ihm das bereits mit dem Tempodrom oder dem Zirkus Roncalli geglückt. Zusammen mit seinem Partner Lutz Deisinger stellte er ein rotplüschiges Spiegelzelt – original Jugendstil und 1912 erbaut – auf das Betonparkdeck neben der Freien Volksbühne in der Schaperstraße. Ein bisher in der Stadt nicht da gewesener Tempel für die Unterhaltungskunst sollte es werden. Deutschsprachiges Chanson, Kabarett, Schabernack – von anspruchsvoller bis schräg. Und inzwischen sei es Europas einziges, durchgehend bespieltes Varietézelt, freut sich Geschäftsführer Klotzbach. Mit 1,5 Millionen Besuchern und 6800 Vorstellungen in 15 Jahren.

Er habe dieses Zelt sofort geliebt, schwärmte Schirmherr Peter Raue gestern. Zusammen mit den Kleinkunststars Geschwister Pfister, Malediva, Pigor & Eichhorn und Georgette Dee gehörte er zu den Stammkunden der Bar jeder Vernunft, die gestern zum ersten Geburtstagstortenanstich ins kuschelig warme Zelt gekommen waren. Die „Mischung aus Witz, Geist und Frivolität“ gefalle ihm so, sagt Raue. Und der Mut zum Risiko von Klotzbach und Deisinger, alles ohne Fördergelder aufzuziehen. Außerdem habe sich seine Tochter hier mal schwer verliebt.

Ans Spiegelzelt als Kontaktbörse erinnert sich auch Sänger Ursli Pfister, der mit seinen Geschwistern hier künstlerisch groß geworden ist. „War früher lustig der Sex mit den Kellnern.“ Seine Schwester Fräulein Schneider ist da züchtiger. Sie nennt die Bar samt ihren treu zu ihren Künstlern stehenden Chefs schlicht „Mutterhaus“. Am 9. Juni führt sie im Tipi durch die ausverkaufte Geburtstagsgala der beiden Zelte. Das geräumigere Schwesterzelt im Tiergarten wurde 2002 zum Zehnjährigen der Bar eröffnet.

Ab Oktober zeigt die Bar jeder Vernunft übrigens dauerhaft das Berlin-Musical „Cabaret“. „Als Gegenmodell zur Musicalindustrie“, meint Lutz Deisinger. „Getreu unserem Motto: „Menschenkunst statt Kunstmenschen.“

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false