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Berlin: Totenruhestörung

In Brandenburg dürfen Privatunternehmer künftig Tote einäschern. Die Berliner Bauverwaltung rechnet nun offenbar mit zusätzlicher Konkurrenz für die drei staatlichen Krematorien in der Stadt.

In Brandenburg dürfen Privatunternehmer künftig Tote einäschern. Die Berliner Bauverwaltung rechnet nun offenbar mit zusätzlicher Konkurrenz für die drei staatlichen Krematorien in der Stadt. Die sind ohnehin nur zur Hälfte ausgelastet.

Im Juli, noch während an der Neufassung des Brandenburger Bestattungsgesetzes gearbeitet wurde, schrieb Berlins Bausenator Peter Strieder (SPD) in einem Brief an den Landtags-Innenausschuss vom "Leichentourismus" ins Nachbarland, der künftig zur Regel werden würde und davon, dass "wesentliche kulturelle Aspekte der Feuerbestattung" verloren gingen, wenn die Einäscherung "ausschließlich einen gewinnorientierten Entsorgungscharakter" bekäme. Im Brandenburger Innenministerium dagegen hält man es nicht mehr für "zeitgemäß", wie es dort heißt, Krematorien von Behörden betreiben zu lassen. "Wir werden die privaten Betreiber aber beaufsichtigen", sagt Ministeriums-Sprecherin Bettina Cain.

Das, was Strieder Leichentourismus nennt, gibt es längst. Berliner Bestatter transportieren Tote zum Beispiel ins sächsische Meißen, wo Krematorien wie in nun insgesamt acht Bundesländern bereits privat betrieben werden dürfen. Eine Einäscherung in Meißen kostet 300 Mark. In Berlin müssen dafür 540 Mark gezahlt werden.

Strieders Kritik deckt sich mit einer Formulierung im Berliner Bestattungsgesetz, wonach die Totenruhe nicht mehr als nötig gestört werden darf. Bei langen Fahrten zum Beispiel sei das aber der Fall, sagt eine Sprecherin der Bauverwaltung, so dass es sich bei der Einäscherung auswärts streng genommen um einen Gesetzesverstoß handele. "Das ist abwegig", sagt Rolf-Peter Lange, Geschäftsleiter beim Berliner Großbestatter Ahorn-Grieneisen und Verbandschef der deutschen Bestattungsunternehmen. Auf jeder Fahrt in ein Krematorium werde die Totenruhe gestört, sagt er, egal wie lang sie sei. Hans Georg Büchner, bei der Bauverwaltung zuständig für Bestattungen, hält dagegen, dass "die Bestattung Teil der hoheitlichen Daseinsfürsorge des Staates" sei. Wenn anderswo Einäscherungen billiger seien als in Berlin, sagt er, läge es daran, dass dort "kulturelle Ansprüche" ignoriert würden. "Zum Beispiel fehlen dort Feierhallen", sagt er.

Zumindest in Meißen gibt es aber einen Feierraum, den die Berliner Hinterbliebenen jedoch gar nicht benutzen. Sie halten ihre Trauerfeiern stattdessen in Berlin ab. Und die seien letztlich sogar würdevoller, sagt Bestatter Lange, denn "Leute ohne Geld können das bei der Einäscherung Gesparte dann dafür ausgeben".

Weil das Land Berlin die Fehlbeträge der hiesigen Krematorien ausgleichen muss, habe das Parlament die Verwaltung aufgefordert, eines davon zu schließen, sagt Büchner. Auch die Überdimensionierung der drei Häuser in Ruhleben, Wedding und Baumschulenweg war einmal politischer Wille, denn nicht immer sind in Berlin so wenig Menschen gestorben wie heute. Zum Beispiel im Winter 1979: Die Grippe grassierte und der Boden war gefroren. Erdbestattungen waren nicht möglich. Die Krematorien kamen mit dem Verbrennen nicht nach.

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