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Touristen als Nachbarn: Wenn die Rollkoffer klappern

Immer häufiger werden in Berlin Wohnungen an Touristen vermietet - oft zum Ärger der regulären Hausbewohner.

Immer mehr private Wohnungen werden in Berlin als Touristen-Herbergen vermietet. Für die Nachbarn sind die ständig wechselnden Mieter ein Ärgernis – weil sie zu allen Tages- oder Nachtzeiten an- und abreisen, oft fröhlichen Lärm verbreiten und nicht selten ihre Spuren im Haus hinterlassen. Nicht zuletzt ein Urteil des Bundesgerichtshofs hat jetzt auf solche Missstände aufmerksam gemacht.

Worin liegt das Problem?

Unklar ist, wie viele Privatwohnungen an Touristen vermietet werden, zumal nicht alle dieser Unterkünfte das ganze Jahr über angeboten oder gebucht werden. Schätzungen zufolge gibt es bis zu 15000 Ferienwohnungen in der Stadt. In ihnen dürfte es Tourismus-Experten zufolge drei bis vier Millionen Übernachtungen pro Jahr geben. Nicht immer beeinträchtigt die Gegenwart der Gäste die regulären Bewohner eines Hauses. Experten glauben, dass nur jeder zweite Nachbar einer Ferienwohnung tatsächlich so massiv gestört werde, dass sich eine Klage um Mietminderung lohne, wie sie jetzt durch das BGH-Urteil in Aussicht gestellt wurde.

Doch der Unmut vieler Anwohner ist groß. So schildern Betroffene, dass tag- und nachtaktive Touristen doch eine deutlich erhöhte Lärmbelastung bedeuten. „Nicht nur feiern Gäste der Stadt auch mal vor ihren Touristenwohnungen nachts weiter, egal an welchem Wochentag. Zu Zeiten angenehmer Witterung gerne auch auf der Straße. Sie müssen morgens ja nicht früh raus“, beklagt sich eine Tagesspiegel-Leserin, die in der alten Mitte Berlins wohnt. Nachbarn berichten außerdem, dass sie inzwischen die Flugpläne von Easyjet nachvollziehen könnten – anhand der Rollkoffer, die ab morgens um 3 Uhr dann schon wieder übers Kopfsteinpflaster holpern.

Mancher vormals entspannter Wohnstraße , in der abends nette junge Erwachsene aus allen möglichen Ländern abhängen, sieht man morgens anhand der Flaschenscherben und der Jointreste dann auch die Party des Vorabends an.
Ein Mieter aus der Nähe der Kreuzberger Bergmannstraße berichtet, dass die Drei-Zimmer-Wohnung unter ihm von einem Professorenehepaar aus Westdeutschland gemietet wurde. „Sie nutzen sie als Ferienwohnung von Frühjahr bis Herbst, im Winter vermieten sie die Wohnung an ausländische Touristen oder Studenten unter – ohne Absprache mit der Vermieterin.“ Ein Zimmer bleibe ständig unbeheizt, dummerweise das unter dem Wohnzimmer des frustrierten Mieters. Im Seitenflügel habe sich eine skandinavische Drehbuchautorin eine Wohnung gemietet, die nur sporadisch da sei. Dort hielten sich hauptsächlich skandinavische Studenten auf, die ziemlich rücksichtslos seien. „Sie schmeißen ihre Kippen in unseren Hof, brechen Schlüssel zu Eingangstüren ab und sind dann weg.“

Man habe nichts gegen Touristen, so der Tenor, aber in Wohngegenden müssten sie sich schon gesittet benehmen.

Wie ist die Rechtslage?

Auch Touristen sind Mieter – weil sie vom Grundsatz her die Wohnung auch nicht anders nutzen als ein Berliner: nämlich zum Wohnen. Der „Zweck“ der Wohnung sei in beiden Fällen derselbe – es liegt also keine zweckfremde Nutzung vor. So sehen es die Gerichte bisher – und sie wiesen zuletzt auch die Klage des Bezirks Mitte ab, der mit einem Ordnungsgeld gegen einen Vermieter von Ferienwohnungen vorgehen wollte.

Wenn die Touristen wie in einem Hotel „beherbergt“ werden, gilt das Gebäude als Beherbergungsbetrieb. Diese Kategorisierung setzt bei zwölf Betten ein, wobei umstritten ist, wie dies in einem Wohnhaus ermittelt werden soll. Für Beherbergungsbetriebe gelten besondere Regeln: Es müssen Feuerlöscher angebracht werden und Fluchtwegepläne ausgehängt werden. So sieht es die Betriebsverordnung vor. Weil die Vermieter von Ferienwohnungen in einem Graubereich arbeiten, gefährden sie nach Überzeugung von Thomas Lengfelder, Hauptgeschäftsführer des Hotel- und Gaststättenverbandes Berlin, aber die Bewohner der betroffenen Häuser. Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung hat darauf reagiert: Sie will die Betriebsverordnung so ändern, dass sie auch für Ferienwohnungen anwendbar wird.

Welche Möglichkeiten haben belästigte Mieter, sich zu wehren?

Sie können eine Minderung der Miete durchsetzen wegen des Lärms und des Schmutzes, die mit der Nutzung der Wohnungen durch Berlin-Besucher einhergehen können. Der Nachweis ist nicht immer ganz einfach. Viele Richter verlangen ein Protokoll mit Tag, Uhrzeit und einer Beschreibung des Ruhe störenden Lärms. Auch ist ein Rechtsstreit meistens mit Unwägbarkeiten verbunden – und kostspielig. Dies galt bisher jedenfalls.

Was ändert sich durch das jüngste BGH-Urteil?

Der Bundesgerichtshof billigte jetzt einem betroffenen Mieter wegen übermäßiger Belästigung durch Lärm und Schmutz, die durch Touristen verursacht wurden, eine Mietminderung zu. Das Urteil könnte auch künftig mehr Rechtssicherheit bei der Durchsetzung von Mietminderungen gegenüber dem Vermieter bedeuten. Zwar muss der Mieter trotz des Urteils auch in Zukunft jeden Fall einzeln ausfechten. Doch Amtsgerichte orientieren sich oft an den Grundsätzen der oberen Instanzen. Zudem folgt der BGH einer Linie, die sich bereits bei Amtsgerichten abgezeichnet hatte. In dem Plattenbau-Ensemble an der Wilhelmstraße in Berlin Mitte, wo besonders viele Wohnungen an Touristen vermietet werden, hatte das Amtsgericht Mitte einem Mieter bereits Recht gegeben: Dieser hatte wegen der „hotelartigen Nutzung“ von Wohnungen in seinem Haus die Miete gemindert. In diesem Fall war ihm ein Abschlag von zehn Prozent zugesprochen worden (AG Mitte, 2. Dezember 2009 - 17 C 134/09).

Warum wird die Vermietung von Wohnungen an Touristen nicht verboten?

Bisher gibt es keine Möglichkeit, die Vermietung von Ferienwohnungen zu verbieten. Nicht einmal das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum greift zurzeit. Denn seit dem Jahr 2002 gibt es nach Überzeugung der Gerichte keine Wohnungsnot mehr in Berlin. Vor zehn Jahren standen in Berlin noch zahlreiche Wohnungen leer, weil der Senat zuvor ein gewaltiges Bauprogramm aufgelegt hatte, das zu einem großen Wohnungsangebot geführt hatte. Heute ist das anders. In dieser Woche hat der Senator für Stadtentwicklung Michael Müller (SPD) erstmals eingeräumt, dass das Angebot an Wohnungen in Berlin knapp geworden ist. Deshalb prüft der rot-schwarze Senat nun auch, ob das Zweckentfremdungsverbot erneut in Kraft gesetzt werden kann. Hauseigentümer-Verbände haben die Ankündigung bereits mit der Drohung beantwortet, gegen ein solches Verbot vor Gericht ziehen zu wollen – und die Klage notfalls bis zum Verfassungsgericht zu führen.

Ist die Vermietung von Wohnungen an Touristen ein Wirtschaftsfaktor für Berlin?

Auch hier wird nur geschätzt. Einige Hochrechnungen gehen davon aus, dass die Touristen, die in privaten Wohnungen übernachten, allein dafür jedes Jahr mehr als 150 Millionen Euro ausgeben. Nimmt man an, dass einige dieser Besucher nicht in die Stadt kämen, wenn es in Berlin nur klassische Hotels und Hostels gäbe, könnten wie bei anderen Touristen auch andere Ausgaben hinzugezählt werden: Geld für Essen, Kultur, Shopping.

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