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Tramper Avus

© Ullstein Bild - Lederer

Tramper: Per Anhalter durch die Institutionen

Auch die Tramper haben jetzt eine Lobby: In Berlin wurde kürzlich die "Deutsche Autostop Gesellschaft" gegründet. Deutschland ist ein "hervorragendes Tramperland", findet der Verein - und plant einen eigenen Tramperausweis.

Trampen? Ja, da war mal was, lange vor der Wende, als Sprit noch billig war und die Terminkalender dünner. Erst kamen die Mitfahrzentralen, machten aus dem Abenteuer ein Geschäft, dann kam Eduard Zimmermann von „XY ... ungelöst“ und beschwor mit trauerernster Miene die Gefahren für trampende Mädchen.

Alles überholt. „Deutschland ist ein hervorragendes Tramperland“, sagt Jonathan Stock, Pressesprecher von „abgefahren – Deutsche Autostop Gesellschaft“, dem ersten deutschen Tramperverein. Der wurde vor kurzem in Berlin gegründet, mit allem, was man so an Funktionen braucht: Präsident, Schatzmeister und Frauenbeauftragter. Inzwischen sind 50 Mitglieder registriert.

Dass kaum noch gereckte Daumen am Straßenrand zu sehen sind, liegt laut Stock vor allem daran, dass Daumenrecken unter Profi-Trampern nur die zweite Wahl ist. Bevorzugte Methode: an einem Rastplatz oder einer Tankstelle Fahrer direkt ansprechen. So lässt sich eine Vorauswahl treffen, eine Art Gesichtskontrolle, um nicht notorischen Rasern oder Kriminellen in die Hände zu fallen. Reine Vorsichtsmaßnahme, sagt Stock, aber auch effektiver als zu warten, bis einer anhält. Sein Tipp für Furchtsame: „Eine SMS mit dem Autokennzeichen an einen Freund senden und dem Fahrer das mitteilen.“

Warum man als freiheitsliebender Autostopper einen Verein gründet, erklärt Stock so: „Wir können besser gegenüber Behörden auftreten, Spenden sammeln und Informationen austauschen.“ Behörden sind dann wichtig, wenn offizielle Tramperhaltestellen eingerichtet werden, mit Schild und Haltebucht. Derzeit wird das gerade in Potsdam probiert. In den Niederlanden und der Schweiz gibt es solche Haltestellen schon.

Eine weitere Idee der Vereinsgründer: „Wir dachten uns, es könnte einen Ausweis geben, mit Bild, dass man sagen kann: Ich bin Vereinstramper.“ Das würde bei etwas konservativ gestimmten Fahrern Eindruck machen.

Jonathan Stock, 24 Jahre alt, Student der Geschichte in London, hält seit acht Jahren Autos an und hat nur gute Erfahrungen gemacht. „Ich habe Schrotthändler kennengelernt, Pornoregisseure und Schiffskapitäne“ – das bringt Einsichten, die einem Studenten der Geschichte üblicherweise verborgen bleiben. Bis nach Ostfriesland, Marokko und Indien hat es Stock, gebürtig aus Eutin, schon ohne Fahrticket geschafft. Im Iran lief es am besten, Afghanistan würde er derzeit nicht empfehlen. „Dort ist vor einiger Zeit ein russischer Tramper verschollen.“

Überhaupt die Russen. Die sind in der internationalen Tramperszene berühmt für ihren waghalsigen Optimismus. Demnächst wird wieder eine Gruppe durch Afrika trampen. Der Autostopper Alexey Worow, so ist im Internet zu lesen, wartete einmal im nordostsibirischen Chukotka sechs Tage lang, bis ein Auto anhielt. Weil es ziemlich kalt war, bis zu minus 55 Grad, vertrieb er sich die Zeit mit Laufen. Worow, Präsident der „Sant Petersburg Autostop League“, hat nach eigenen Angaben 1 130 000 Kilometer per Autostopp zurückgelegt.

Die besten Tramperstellen in Berlin: Kurt-Schumacher-Damm, Prenzlauer Promenade, Tankstelle Spanische Allee, Rasthof Michendorf, Tankstelle Schöneweide, Raststätte Stolper Heide, Kaiserdamm-Auffahrt zur Stadtautobahn. Auf der Internet-Datenbank www.hitchbase.com sind insgesamt zehn Plätze genau beschrieben.

Der Tramperverein im Internet:

http://abgefahren.hitchbase.com

Tramperforum: www.anhalterfreunde.de

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