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Berlin: Treffen der Horchposten: Linguisten des Kalten Krieges

Der Kalte Krieg war zuweilen eine heiße Sache. So heiß, dass Frederick Payne und seine Kollegen in Unterhosen oder nur mit einem Handtuch um die Hüfte an vorderster Front kämpften.

Von David Ensikat

Der Kalte Krieg war zuweilen eine heiße Sache. So heiß, dass Frederick Payne und seine Kollegen in Unterhosen oder nur mit einem Handtuch um die Hüfte an vorderster Front kämpften. Sie saßen auf dem West-Berliner Teufelsberg in einer Blechhütte, hörten in ihren Kopfhörern das Funkgewispere der östlichen Luftwaffe ab und schwitzten sich im Sommer die Säfte aus den Leibern. Eine Klimaanlage gab es nicht, außer der Sonne heizten die Röhren der Abhörgeräte die fensterlose Baracke auf.

Frederick Payne war "Chief Technician" der britischen Luftwaffe - und Geheimagent. Zwischen 1950 und 1969 war er in Berlin stationiert, gestern besuchte er mit 130 Mitkämpfern von damals den Ort der Lauscherei. In Bussen kamen die pensionierten Soldaten der Royal Air Force auf den Teufelsberg hinaufgefahren, erinnerten sich an die geheimen alten Zeiten und fotografierten die leer stehenden Gebäude mit den großen Antennenkuppeln oben drauf.

Wie das beim Aushorchen so ist: Für den Dienst auf dem Berg wurden keine normalen Soldaten engagiert, die sich vor allem auf die Schießerei verstehen. Diese hier mussten Fremdsprachen verstehen - Deutsch, Russisch, Polnisch, Tschechisch. Sie hießen "Royal Air Force Linguists".

Frederick Payne sprach hervorragend deutsch, da er mit einer Deutschen verheiratet war. Zum Abhördienst ließ er sich versetzen, weil er so gerne nach Berlin wollte. Außerdem verdienten Soldaten, die an der unsichtbaren Front kämpften, besser als jene, die sich für einen Schießkrieg vorbereiteten.

Die Kuppeln auf dem Teufelsberg und auch die großen Häuser kannte Frederick Payne aus seiner eigenen aktiven Zeit nicht. Sie wurden erst Anfang der 70er Jahre von den Amerikanern auf den Berg gesetzt, als die Anforderungen an den östlichsten Horchposten der westlichen Welt immer größer wurden. Die Briten unterhielten für ihre eigenen Lauschinteressen in den 70er und 80er Jahren ein etwas kleineres Gebäude. Darin hörten sie denselben Funkverkehr der Ostarmeen ab wie ihre amerikanischen Kollegen. Zur richtigen Zusammenarbeit kam es aber erst nach dem Fall der Mauer. Lange dauerte sie nicht: 1991 wurde die Arbeit auf dem Teufelsberg eingestellt, die Apparaturen abgebaut und, so munkelt man, viel weiter im Osten wieder aufgestellt.

Die Abhörexperten, die sich gestern die Stätte ihres Wirkens noch einmal ansahen, hatten mit all dem nichts mehr zu tun. Frederick Payne kannte noch nicht einmal die Bauten, in denen seit den 70ern gearbeitet wurde. Die Arbeit der Lauschposten war darin ein wenig komfortabler geworden, wenn auch nicht viel aufregender. Die spannendste Situation auf dem Teufelsberg hatte Payne noch selbst miterlebt: Die Tage der Kubakrise, Oktober 1962. Der Funkverkehr im Osten war in diesen Tagen nicht besonders rege. Man wusste aber, dass sich die Armeen in Alarmbereitschaft befanden. Die Lauscher erwarteten in ihren Zehn-Stunden-Schichten jederzeit den Beginn eines heißen Krieges. Die Herbstsonne erhitzte die Spionagebaracke nicht über die Maßen, Payne und seine Kollegen schwitzten trotzdem. Vor Anspannung.

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