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Berlin: Trend unter Jugendlichen: Trinken bis zum Filmriss

Während der Alkoholabsatz insgesamt stagniert, verkaufen sich gefährlich süße Mixgetränke immer besser – und vor allem Mädchen greifen zu

Suchtexperten warnen vor einem Besorgnis erregenden Trend: Animiert durch süße Mixgetränke, in denen der Alkohol kaum herauszuschmecken ist, konsumieren Jugendliche extreme Mengen. Die Getränke-Industrie hat die Entwicklung erkannt und bringt immer neue Fertigcocktails auf den Markt.

Getränkehersteller wie Berentzen oder Bacardi bestätigen den wachsenden Absatz sogenannter Alcohol Pops, Mischgetränke aus Limonade und Alkohol. Diese Pops, auch RTDs („Ready to Drink“) genannt, waren auch auf der Love Parade unter den Rennern. Sie tragen Namen wie Vibe oder Breezer. „Ihr süßer Geschmack verhindert, dass die Leute den Alkohol rausschmecken“, sagt Matthias Apel, Mitarbeiter der Berliner Landesdrogenbeauftragten. „Wir stehen dem sehr skeptisch gegenüber.“ Gerade wenn es draußen warm werde und man mit alkoholhaltigen Getränken den Durst lösche, spiele irgendwann der Kreislauf nicht mehr mit.

Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) hält es sogar für möglich, dass es einen Zusammenhang zwischen dem rasanten Erfolg der Alcohol Pops und dem ebenso schnell wachsenden Alkoholproblem weiblicher Jugendlicher geben könnte: Zwischen 1995 und 2000 hat sich der Anteil der Extremtrinker unter den 18- bis 24-jährigen Frauen bundesweit auf 11 Prozent nahezu verdoppelt.

Grundsätzlich seien aber junge Männer aus dem Ostteil der Stadt in Sachen Alkoholmissbrauch die gefährdetste Gruppe, sagt Apel. Sie träfen sich vielfach am Wochenende und tränken „bis zum Filmriss“. Das Besondere beim „Binge Drinking“ (zu deutsch: Kampftrinken) ist, dass auf Tempo getrunken wird, damit die Wirkung des Alkohol möglichst stark und schnell einsetzt. Da Binge Drinking meistens auf Privatpartys stattfinde, sei es zahlenmäßig kaum zu erfassen, sagt Apel weiter. Bekannt ist, dass bundesweit 24 Prozent der jungen Männer zu der Gruppe der Vieltrinker zählen und täglich durchschnittlich mindestens 30 Gramm reinen Alkohols zu sich nehmen.

BZgA-Sprecherin Marita Völker-Albert sagt mit Blick auf die Love Parade, dass laut einer Studie 40 Prozent der Raver Ecstasy nähmen, davon mehr als die Hälfte in Verbindung mit Alkohol. Allerdings seien das Extremfälle, da nur vier Prozent aller Jugendlichen zu Ecstasy griffen.

Auf der Love Parade war es bei nachlassendem Konsum illegaler Drogen zu deutlich mehr Alkoholexzessen gekommen. Neben Bier und Alcohol Pops hatten einige Händler selbst gemixte Cocktails angeboten: Red Bull mit „4cl Absinth“ etwa.

Erst im Juni hatte Berlins Gesundheitssenatorin Heidi Knake-Werner Alarm darauf hingewiesen, dass im vergangenen Jahr 20 000 Alkoholiker im Krankenhaus behandelt wurden. Rund 500 Klinikbetten seien pro Tag von Alkoholkranken belegt.

Die Suchtexperten betonen jedoch gleichzeitig, dass die Mehrzahl der Jugendlichen verantwortungsbewusst trinke, was der insgesamt stagnierende Alkoholkonsum zeige. Gerade deshalb seien die Alcohol Pops so riskant: „Diese ganzen süßen Getränke sind eine große Verlockung und eine große Gefahr zugleich“, sagt Elisabeth Schütz vom Berliner Diakonischen Werk.

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