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Steghäuser. Eine ganze Armada von Booten hat in Treptow festgemacht.

© Thilo Rückeis

Treptower Hafen: Hausbootbewohner sollen ihre Liegeplätze verlassen

Im Frühjahr 2010 wurde der Mietvertrag der etwa 30 Treptower Hausbootbewohner nicht verlängert. Doch die Wasserstadt Berlin bietet keine Alternativen.

Im Wohnzimmer schaukelt die Esstischlampe gemächlich hin und her, auch im Sitzen ist ein leichtes Schwanken zu spüren. An der Reling lehnt ein altes Fahrrad, das Spreewasser schwappt ab und zu gegen die Seitenwand. Was nach einem idyllischen Ausflugsort klingt, ist die Wohnung von Andrea Schöneich. Vor acht Jahren zog sie aufs Wasser. Damals sah sie zufällig einen Zettel, auf dem ein Boot zum Verkauf angeboten wurde. Seitdem ist das Boot „Havel-Schwan“ an der Anlegebrücke 11 im Treptower Hafen ihr Zuhause. Daneben liegen noch „Lenz“, „Haubentaucher“, „Risiko“, insgesamt zwölf schwimmende Häuser. Ihres misst 38 Quadratmeter und ist damit eines der Kleineren. Andere bieten mit 100 Quadratmetern Platz für eine mehrköpfige Familie. Umherfahren können die ehemaligen Frachtkähne oder Restaurantschiffe aber nicht mehr.

Bereut hat die 52-Jährige ihren Umzug nicht, gern würde sie noch viele Jahre hier wohnen bleiben. Doch momentan sieht es so aus, als müssten die Leinen dort losgemacht werden. Im Frühjahr 2010 wurde der Mietvertrag der etwa 30 Treptower Hausbootbewohner nicht verlängert. „Bis dahin wurde uns immer zugesagt, dass wir bis auf absehbare Zeit hier wohnen bleiben können“, beklagt Andrea Schöneich. Weshalb die Boote den Platz räumen müssen, ist von dem Vermieter, der Stern und Kreisschifffahrt, nicht zu erfahren. „Wir haben laufende Verfahren“, heißt es zur Begründung vom Geschäftsführer Jürgen Loch. Eine außergerichtliche Streitschlichtung hat Stern und Kreis abgelehnt. Jetzt werden die ersten Klagen vor Gericht verhandelt, Andrea Schöneich ist für September geladen. Ein Räumungstitel gegen ein Boot liegt bereits vor – aber wann, wie und wohin es abgeschleppt wird, weiß keiner. Das wäre dann wohl auch eine bittere Premiere: Die Treptower haben bisher keinen Fall gefunden, in dem in Berlin ein Hausboot zwangsgeräumt wurde.

Doch jetzt wurde ihnen gekündigt.
Doch jetzt wurde ihnen gekündigt.

© Thilo Rückeis

Wenn Andrea Schöneich anderen berichtet, wo sie wohnt, sind die Leute erstaunt. Auch direkt an ihrem Steg fragen häufig Spaziergänger nach. „Die Leute sind neugierig und wollen wissen, wie das Leben auf einem Hausboot ist“, sagt sie. Dann erklärt sie ihnen, dass dies eine ganz legale Unterkunft wie jede andere auch ist. Und dass es an Bord auch Festnetztelefon, Internetzugang, Ölheizung gibt. Frischwasser und Strom werden vom Land bezogen. Und für das Abwasser gibt es „Elsa“ – so heißt das Fäkalienschiff, das alle vier Wochen die Tanks leerpumpt.

Ein wenig Umstellung war es aber schon, auf das Schiff zu ziehen. „Gläser sollten im Regal nicht zu nah an der Kante stehen“, erläutert sie. Sonst werde schnell ein Scherbenhaufen daraus, wenn Sportboote Wellen schlagen. Und die Schubladen in ihrer Küche öffnen sich manchmal wie von Geisterhand. Hündin Paula gefällt das Heim auf dem Wasser genauso gut.

Um einer Räumung zu entgehen, würde Andrea Schöneich gerne ihre „Havel-Schwan“ – Schiffe sind im Segler-Jargon immer weiblich – woanders festmachen. Doch geeignete Stege zu finden, scheint in Berlin nahezu unmöglich zu sein. Es gibt keine offiziellen, ausgewiesenen Liegeplätze. Stattdessen müssen die Schiffseigentümer einen Vorschlag machen, dem die Ämter zustimmen müssen. Mit rund 50 Stellen haben die Treptower Hausbooteigentümer das bereits probiert – allesamt wurden abgelehnt. Das Wasser- und Schifffahrtsamt war noch mit den meisten zufrieden, dann kamen aber doch die Absagen von anderen Behörden: Die Sicht auf das Wasser sei behindert, die Zuwege nicht gesichert oder eine seltene Tierart bedroht.

Schwimmender Garten. Andrea Schöneich lebt mit Hündin „Paula“ auf einem Hausboot im Treptower Hafen.
Schwimmender Garten. Andrea Schöneich lebt mit Hündin „Paula“ auf einem Hausboot im Treptower Hafen.

© Thilo Rückeis

„Unsere Lebensform ist anscheinend in der Verwaltung nicht vorgesehen“, sagt Andrea Schöneich. Besser wäre es, wenn es eine einzige zuständige Stelle in Berlin gäbe – so wie es mit einem Hausbootkoordinator in Hamburg bereits der Fall ist. Wie viele solcher Schiffe es in Berlin gibt, weiß deshalb keiner, schätzungsweise sind es 50. Dabei liegt Wohnen auf dem Wasser im Trend. Immer mehr Boote für einen Kurzurlaub auf dem Wasser oder Flöße für einen Tagesausflug seien unterwegs, hat die 52-Jährige beobachtet. Und in ihrem Briefkasten landen mehrmals im Monat Zettel, auf denen Interessenten nach Liegeplätzen fragen.

Wer glaubt, dass das Leben auf dem Wasser wegen niedriger Kosten so beliebt ist, der irrt. Bei einem kleineren Boot fallen rund 450 Euro pro Monat an - für Miete, Abwasser und Werft. Denn alle paar Jahre steht der TÜV an, bei dem der Stahl auf Durchrostung überprüft wird. Und für den Kauf eines solchen Bootes kommt locker ein sechsstelliger Betrag zusammen. Die Bewohner im Treptower Hafen sind daher längst keine armen Schlucker, wie manche annehmen. Andrea Schöneich ist Theatermeisterin, unter ihren Nachbarn sind eine Psychologin, eine Architektin und Lehrer. Und auch das Alter ist quer durchmischt: vom Kleinkind bis zur über 70-Jährigen ist alles dabei. Nur an eines muss Andrea Schöneich als Hausboot-Expertin immer noch denken: dass Handy und Schlüssel schnell mal über Bord fallen können.

Die Treptower Hausboote im Internet: www.wohnschiffe-berlin.de.

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