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Das Trinkwasser in Spandau kann man wieder unabgekocht verwenden.

© dpa

Trinkwasser in Spandau: Im Kreis der Verdächtigen

Der Ursprungsort des Schreckens liegt friedlich im Wald am Westrand Spandaus. Wie die Wasserbetriebe der Verkeimung des Spandauer Trinkwassers auf den Grund gehen.

Irgendwo hier am Wasserwerk im Wald müssen die Keime ins Trinkwasser gelangt sein, deretwegen mehr als 100 000 Berliner am Wochenende plötzlich ihr Leitungswasser abkochen mussten und die Getränkeabteilungen mancher Läden leer kauften. An diesem Dienstag nun haben die Berliner Wasserbetriebe (BWB) eingeladen, um die mögliche Ursache und deren Beseitigung zu erklären.

Hier oben haben wir die Brunnenstube, sagt Jens Feddern, Chef der Wasserversorgung bei den BWB. Die Stube ist eher ein Kämmerlein im Waldboden, begrenzt von einem Betonring mit Stahldeckel. Sie führt zu einem von rund 1000 Brunnen der BWB, einem von 45 des Wasserwerks Spandau – und einem von 22 verdächtigen und deshalb abgeschalteten. Während die Brunnenstube über Metallsprossen zugänglich ist, passt in das Rohr darunter nur eine Kamera. Von einem Lkw neben dem Brunnen aus wird sie am Seil hinabgelassen und liefert Bilder in ein mobiles Studio. Darin schaut ein Experte Kanal-TV, um das Leck zu entdecken. Die Wasserbetriebe gehen davon aus, dass die Bakterien mit verschmutztem Wasser durch eine undichte Fuge oder den Stromanschluss für die Pumpe ins Brunnenrohr eingedrungen sind.

Die Brunnen sind zwischen 60 und 110 Meter tief, aber vermutlich stammt das Schmutzwasser aus dem oberen Bereich. Denn was tief genug versickert, wird dabei keimfrei – und genau das verlangt die Trinkwasserverordnung. Da Verunreinigungen kaum völlig vermeidbar sind, wird nach einem Fund von Keimen stets eine zweite Probe genommen, bevor Alarm geschlagen wird.

Im Gegensatz zum keimfreien Grundwasser aus dem Berliner Untergrund ist eine Pfütze eine hygienische Katastrophe: Mikroorganismen aus Tierkot vermischen sich mit denen aus verrottenden Pflanzen. Andererseits kann eine Pfütze allein keinen Brunnen verschmutzen, der pro Stunde 400 Kubikmeter Wasser – das ist der Jahresbedarf von zehn Durchschnittsberlinern – fördert. Die BWB- Leute schätzen, dass ihnen fast 200 Liter pro Stunde in den undichten Spandauer Brunnen rauschen. Das ist deutlich mehr als ein Rinnsal. Aber da die Schmutzwasserader offenbar unterirdisch verläuft, muss sie erst noch gefunden werden.

Bisher sei nur sicher, dass die wieder in Betrieb genommenen Brunnen keimfreies Wasser förderten, sagt Feddern. Eine prophylaktische Behandlung des Spandauer Wassers mit Chlorgas seit dem Keimfund dient der doppelten Absicherung – und hat gegenüber der in Schwimmbädern üblichen Chloranreicherung den Vorteil, dass den Kunden der unangenehme Geruch erspart bleibt.

Parallel zu den Rohren wird das Wasser der abgeklemmten Brunnen analysiert. Das könne bis Anfang September dauern. Und selbst dann wird die genaue Art der Verunreinigung unklar bleiben: Coliforme Keime gibt es in verschiedensten Arten, die exakte Bestimmung wäre sehr aufwendig und – wie die Fahndung nach dem Ehec-Erreger gezeigt hat – langwierig. Die BWB wollen nur wissen, woher die Keime kamen. Dass sie jemand absichtlich eingebracht hat, gilt als ausgeschlossen, denn die Brunnendeckel sind mit Alarmmeldern gesichert. Dass so viel Schmutzwasser in einen Brunnen dringt, kann laut BWB mit dem vielen Regen der vergangenen Wochen zu tun haben. Zugleich bewahrt das nasse Wetter die Wasserbetriebe vor Kapazitätsproblemen: Bei anhaltend trockener Hitze kämen die verbleibenden Spandauer Brunnen kaum mit der Lieferung nach.

Die ebenfalls ins Wasserwerk gekommene Gudrun Widders, Chefin des Spandauer Gesundheitsamtes, erklärt die anfängliche Verwirrung um Betroffenenzahl und Abkochzeit damit, dass die Nachricht am Donnerstag schon in der Welt gewesen sei, bevor sich BWB und Ämter abgestimmt hätten. Danach hätten viele besorgte Bürger angerufen und manche über Durchfall geklagt. Doch anhand der Wohnorte und Erkrankungszeiten habe man die Wasserkeime als Ursache ausschließen können. „Alles Notwendige ist getan worden“, resümiert die Amtsärztin. Stefan Jacobs

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