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Berlin: Trommeln gehört zum Handwerk

Von Anke Nolte Er trommelt auf den Tisch und spitzt die Lippen: „Dutum, dutum, dutum“. Michael Peters macht die Kongas nach.

Von Anke Nolte

Er trommelt auf den Tisch und spitzt die Lippen: „Dutum, dutum, dutum“. Michael Peters macht die Kongas nach. Dann zischt er rhythmisch: „Schsch schsch schsch schsch“ – das sind die Maracas. Ungeübte Tänzer können sich erst an dem „Klong, klong, klong“ der Kuhglocke, der Campana, orientieren. „Und die Timbales hauen da auch noch mal rein“, sagt Michael strahlend. Der 38-Jährige, eher ein zurückhaltender Mensch, kommt immer mehr in Fahrt. „El Rumbero“ nennt er sich auch: der, „der die Trommeln macht“, beziehungsweise auflegt. „Diese Rhythmen der Schlaginstrumente machen süchtig“, sagt er.

„Da laufen mehrere Rhythmen nebeneinander ab, die eigentlich nichts miteinander zu tun haben und doch so gut zusammenpassen.“ Also nicht so ein „bumm, bumm, bumm“ wie bei Pop, House oder Techno. Jedes Percussion-Instrument beim Salsa hat einen eigenen Rhythmus. „Deshalb ist es so schwierig, die Musik aufzulegen: der Beat der einzelnen Instrumente darf nicht unterbrochen werden.“ Sonst fühlen sich die Tänzer gestört. Das Rhythmusgefühl entwickelt sich vor allem dadurch, dass man regelmäßig tanzen geht.

Als Peters Anfang 30 war, hat er das Tanzen geübt, drei bis vier Mal die Woche. Eigentlich sollte es beim Tanzen bleiben, auflegen wollte er nicht –nicht mehr. In der DDR liebte der DJ die Soul- und Diskomusik. In den 80er Jahren ist er nachts mit seiner mobilen Anlage herumgefahren, denn die Clubs im Osten hatten keine eigenen. Die Musik hat er vom Rias aufgenommen, alles Westgeld in Platten umgesetzt. Tagsüber war er Hilfsarbeiter, studieren durfte er nicht. Doch nach zehn Jahren Tag- und Nachtarbeit wollte er endlich etwas „Vernünftiges“ machen. So blieb er im Westen, als er kurz vor der Wende seine todkranke Oma in Bremen besuchen durfte. In West-Berlin studierte er Informatik und kam gar nicht in Versuchung, sein altes DJ-Leben wieder aufzunehmen, weil die aufkommende Technomusik ihn abschreckte.

Doch dann entdeckte er diese „spanische Musik“, die er abends in einer kleinen Bar hörte. Die gefiel ihm. Er wurde aufgeklärt: Die Musik kommt aus Lateirika, man tanzt dazu Standard. Paartanzen? Für einen Ex-DJ klang das reichlich altmodisch. Dennoch belegte er Tanzkurse, kaufte sich CDs. Der Weg der Abhängigkeit nahm seinen Lauf. Seine eigene Geburtstagsparty im Tacheles feierte Michael mit Salsa-Musik. Es folgten viele weitere Michael-Salsa-Partys im Tacheles. „Ich hatte überhaupt nicht die Absicht, wieder aufzulegen“, beteuert er.

Doch spätestens mit der Eröffnung des „Havanna“, 1997, war es zu spät: Von dieser Musik kam Michael Peters nicht mehr los. Mittlerweile ist er der bekannteste Salsa-DJ der Stadt. Zwei Mal die Woche legt er in den beiden größten Salsa-Clubs auf, im Havanna und im Soda-Club, und hatte die Idee, Salsa auf dem Wasser zu tanzen. Seit ein paar Jahren schippert nun das Salsa-Schiff El Barco zwei bis drei Mal im Sommer über die Spree. Alle drei Wochen fährt Peters nach Hamburg ins „Atisha“, ist auch mal DJ in Oslo und Stockholm. Vorläufiger Höhepunkt seiner Karriere: Aufleger in New York, der Geburtsstadt des Salsa.

Für einen Abend nimmt er 300 bis 400 CDs mit. Ein DJ muss alle Platten selber bezahlen, doch die Salsa-DJs in Deutschland verdienen dafür nicht genug. „Deshalb hört man in vielen deutschen Salsa-Clubs auch immer dasselbe“, sagt er. Sein Geld verdient er mit seinem Hauptberuf als Informatiker, erstellt Datenbanken für den Einzelhandel. Informatiker und DJ, das passt besser zusammen, als der Laie denkt, in einer Software zum Mixen, zum Beispiel. Sein großes Vorbild: Henry Knowles, der wohl weltbeste Salsa-DJ aus New York. „Der mixt alles. Und das ist bei der Salsa-Musik besonders schwierig.“ Erstens, weil der Rhythmus so komplex ist, zweitens, weil es wenig Instrumentalstellen gibt. „Du kannst nicht mixen, wenn die Leute singen.“

Seinen berühmten Kollegen hat Peters Anfang des Jahres zum ersten Mal nach Berlin geholt, jetzt ist er wieder da. Zu Hause, in seinem Büro in Prenzlauer Berg, feilt Michael Peters an der hohen DJ-Kunst: dem Samplen, Loopen und Mixen übt er auf seinem Laptop. Den Schnitt zwischen zwei Stücken hört man nicht. Dafür muss er sich konzentrieren, den Blick immer aufs Mischpult gerichtet. Er dreht und schiebt die Regler, blättert fieberhaft in seiner CD-Mappe, hört über die Kopfhörer ins nächste Stück. Zwischendurch schlägt er die Klanghölzer und schüttelt die Maracas. Bis fünf Uhr morgens macht er die Trommeln, gibt sein Bestes auch für die letzten, unverwüstlichen Salseras und Salseros auf der Tanzfläche, die nicht aufhören können, weil sie süchtig sind nach dieser Musik. So, wie Michael Peters.

Am heutigen Sonnabend feiert das Havanna in der Hauptstraße 30 in Schöneberg sein fünfjähriges Bestehen mit DJ Michael und Henry Knowles.

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