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Techno am Ring. Die Rennstrecke ist für Großveranstaltungen mit hunderttausenden Besuchern konzipiert worden. Christian Gernemann würde deshalb dort gern eine Techno-Parade veranstalten – wie einst im Tiergarten.

© dpa

Trotz der Erinnerung an Duisburg: Loveparade soll auf den Lausitzring umziehen

Von der Loveparade war Christian Gernemann so begeistert, dass der Techno-Fan ein neues Musikfestival plant – auf dem Lausitzring. Wenn da nicht die Erinnerung an die Katastrophe von Duisburg wäre.

Der Trip hat Spuren hinterlassen. 1996 reiste ein 18-Jähriger aus dem Münsterland nach Berlin, um mit 750000 Ravern durch den Tiergarten zu tanzen. In den folgenden Sommern zog es den Techno-Fan immer wieder zurück auf die Straße des 17. Juni, zuletzt 2000. 17 Jahre nach der ersten Reise und drei Jahre nach dem tragischen Ende der Loveparade in Duisburg will Christian Gernemann wieder eine Technoparade organisieren. Doch nicht unter dem alten Namen, und auch nicht in Berlin. Er wirbt bereits um Unterstützer und ist sich wohl auch bewusst, dass er mit seinem Plan nicht gegen die Erinnerung an die Katastrophe von Duisburg, bei der 21 Besucher bei einer Massenpanik starben, ankämpfen kann.

Gernemann will etwas Neues schaffen und an Zeiten anknüpfen, als sich mit der Parade das Bild von hunderttausenden, friedlich feiernden Ravern verband. Das sei eben seine Musik, sagt der Zwei-Meter-Schlaks mit den kurzen blonden Haaren, der mittlerweile in Tegel wohnt. „Das ist die Musik, bei der mein Bein anfängt zu wippen. Und wenn so viele Menschen friedlich eine große Party feiern...“, sagt er mit Begeisterung in der Stimme. Gernemann stellt sich eine Mischung aus Parade und Festival der elektronischen Musik vor – auf dem Lausitzring, der eineinhalb Autostunden südlich von Berlin liegenden Rennstrecke. Tagsüber wummern 20 Techno-Trucks aus verschiedenen Ländern Europas über das Gelände, nachts wird das asphaltierte Fahrerlager mit drei Bühnen zum Konzertort. Die Raver könnten im Zelt übernachten oder auch per Bus in die Berliner Clubs gefahren werden. Die Hauptstadtszene soll ja schließlich auch was davon haben, findet Gernemann. Höchstens 100 000 Techno-Fans plant er ein. Zum Vergleich: Das Böhse- Onkelz“-Abschiedskonzert im Jahr 2005 zählte 120000 Besucher. „Sicherheit geht über alles“, sagt er und will die Fehler von Duisburg, wo 150 000 Menschen zu viel aufs Gelände gelassen wurden, von vornherein ausschließen.

Christian Gerneman ist der Planer der möglichen Großveranstaltung.
Christian Gerneman ist der Planer der möglichen Großveranstaltung.

© Mike Wolff

Bereits im vergangenen Herbst kündigte Gernemann die Veranstaltung als „Love Convoy“ für den Sommer dieses Jahres an. Das Love hat er mittlerweile gestrichen, auch wenn die Webadresse noch so heißt. Mittlerweile spricht er auch vom Jahr 2014, in dem der Convoy starten soll. Aber ist Gernemann überhaupt in der Lage, eine Art Mini-Loveparade zu organisieren? Die größten Partys, die er veranstaltet hat, waren Abi-Feiern und Après-Ski-Partys im Münsterland mit höchsten 2700 Gästen. Und die Häme so mancher Technofans ist dem einstigen Außendienstmitarbeiter, der nun mit seiner Lebensgefährtin fair gehandelte Schokoladen verkauft, sicher. Als Gernemann 2001 mit einem eigenen Wagen zur Loveparade anreiste, stoppte ihn die Polizei. Das Podest, auf dem die Leute tanzten, war 2,70 Meter hoch, erlaubt waren 2,10 Meter, wegen der Brücke am Bahnhof Tiergarten, sagt Gernemann. Der Wagen musste stehen bleiben.

Und was sagt Dr. Motte zu der Idee?

Auf dem Lausitzring soll die Musikparade wieder aufleben.
Auf dem Lausitzring soll die Musikparade wieder aufleben.

© dapd

Veranstalter will er auch gar nicht sein, eher Strippenzieher, Projektmanager. Mit den Großen der Branche habe er gesprochen, doch noch blocken die und auch mögliche Sponsoren ab – wegen der Loveparade-Katastrophe. „Keiner will sich damit in Verbindung bringen lassen“, sagt er. Und keiner will das Risiko eines Flops eingehen. Deswegen will Gernemann nun Fans und Geldgeber per Crowdfunding finden, eine Million Euro müssten es für den ersten Convoy sein. Stünde das Geld bereit, wären auch Veranstalter dabei, glaubt Gernemann. Er habe die Unterstützung vom Lausitzring, von der örtlichen Politik, und auch eine Versicherung sei gefunden. Die Vision halte sie „für grundsätzlich erfolgversprechend“, teilte eine Sprecherin des Lausitzrings mit. „Der Lausitzring wurde in jeder Hinsicht zur Bewältigung von Großveranstaltungen konzipiert, weshalb die Anlage für ein solches Event und große Besuchermassen bestens gerüstet wäre.“

Auch Andreas Fredrich, der Bürgermeister der Kreisstadt Senftenberg, findet die Idee des Festivals gut. „Ich begrüße Großveranstaltungen auf dem Lausitzring, das steigert den Umsatz im Einzelhandel und in der Gastronomie“, sagt er. Die Loveparade kenne er zudem aus eigenem Erleben:  Vor vielen Jahren sei er deshalb selbst nach Berlin gefahren. Auf die Hilfe von deren Erfinder Matthias Roeingh alias Dr. Motte kann Gernemann aber nicht zählen. „Ich will das nicht, ich brauche das nicht“, sagt der. Ein abgezäuntes Gelände sei nicht optimal. Und: „Lausitzring! Wo ist das denn?“ Die Welt schaue auf Berlin.

Da will Gernemann auch wieder hin. Irgendwann, so ist sein Traum, könne die Parade ja wieder über die Straße des 17. Juni ziehen. Dort, wo einst Millionen eine bunte Party feierten. Wo für Gernemann vor 17 Jahren alles begann.

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