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Berlin: Trotz des Protestes ihrer Mitschüler wurde Charlotte O. ausgewiesen - ihre Mutter bleibt in Berlin

Um Auseinandersetzungen vorzubeugen, hatten die Staatsorgane in aller Eile die Abschiebung des Mädchens vorverlegtJeanette Goddar Buchstäblich in letzter Minute versuchten etwa 20 Schüler der Wilmersdorfer Robert-Jungk-Schule gestern, die Abschiebung ihrer Mitschülerin Charlotte O. zu verhindern.

Um Auseinandersetzungen vorzubeugen, hatten die Staatsorgane in aller Eile die Abschiebung des Mädchens vorverlegtJeanette Goddar

Buchstäblich in letzter Minute versuchten etwa 20 Schüler der Wilmersdorfer Robert-Jungk-Schule gestern, die Abschiebung ihrer Mitschülerin Charlotte O. zu verhindern. "Als wir bei der Gefangenensammelstelle in Tempelhof ankamen, hieß es, Charlotte würde rauskommen, und wir könnten mit ihr reden", sagte die Schulsprecherin Anna Fronzeck dem Tagesspiegel. Doch es war schon zu spät: "Ein paar Minuten später wurde uns gesagt, der Flug sei vorverlegt und Charlotte gerade weg."

Eigentlich wollten die Mitschüler der 16jährigen Ghanaerin sich gleichzeitig mit ihr auf den Weg zum Flughafen Schönefeld machen und dort versuchen, das Flugpersonal sowie die Passagiere davon zu überzeugen, den Flug zu verhindern. Die 17-jährige Schulsprecherin: "Da hat sicher jemand Wind davon bekommen, dass wir unterwegs sind. Aber das ist doch unverantwortlich, eine 16-Jährige ohne ihre Mutter nach Ghana zu schicken." Unverantwortlich vielleicht - aber juristisch kaum anfechtbar. Charlotte O. war vor fünf Jahren ihrer Mutter nachgereist. Ihre Mutter war zuvor nach Deutschland gekommen und hatte hier geheiratet. Inzwischen ist sie zwar im Besitz einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis, lebt aber - zumindest immer wieder einmal - von Sozialhilfe. Damit fällt laut Ausländerrecht eine Familienzusammenführung aus. Aus diesem Grund wurde sie vor ein paar Jahren schon einmal abgeschoben - und reiste erneut ein.

Nach der gestrigen Abschiebung hat das Mädchen in Zukunft auch nach einer erneuten Einreise und selbst wenn ihre Mutter morgen einen Job findet, keinen Anspruch auf Familienzusammenführung mehr: Ab dem 16. Lebensjahr ist Schluss.

Charlotte O. besuchte eineinhalb Jahre lang die Jungk-Schule in Wilmersdorf und hätte nach der 10. Klasse im kommenden Sommer einen Abschluss in der Hand gehabt. Das ärgert ihre Mitschüler besonders: "Auf das halbe Jahr wäre es doch auch nicht mehr abgekommen", sagt eine Schülerin, "gerade mal eine Woche war ihre Duldung abgelaufen." In der Nacht zu gestern holte die Polizei die 16-Jährige in der Wohnung ihrer Mutter aus dem Bett.

Für Charlottes Rechtsanwältin Christine Thomas-Khaled ist der Fall ebenso skandalös wie juristisch ausgereizt. Bei einem Gespräch habe das Mädchen eindeutig erklärt, sie wolle lieber nach Ghana als in Abschiebehaft. Dort wäre sie gelandet, wenn Thomas-Khaled noch einmal versucht hätte, Widerspruch einzulegen.

Die Anwältin versicherte aber, sie habe dafür gesorgt, dass das Mädchen in Ghana nicht auf der Straße stehe: "Sie wird in einem Frauenprojekt untergebracht und kann dort eine Ausbildung machen." Das Mädchen sei traurig, aber nicht völlig am Boden zerstört gewesen. "Sie hatte das Leben hier nach all dem Hin und Her auch ein bisschen satt."

Jeanette Goddar

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