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Berlin: TÜRKEI Die Staatsmacht wacht über das strikte Verbot

Ein Gebetsraum in der Schule! Auch in der Türkei gibt es diese Schlagzeilen – immer dann, wenn einer entdeckt wird.

Ein Gebetsraum in der Schule! Auch in der Türkei gibt es diese Schlagzeilen – immer dann, wenn einer entdeckt wird. Oft geschieht das nicht, denn diese Orte darf es an türkischen Schulen nicht geben. Setzt sich eine Schule über dieses ungeschriebene Gesetz hinweg und richtet einen Raum zum Beten ein, so löst das einen nationalen Skandal aus. Tagelang berichteten die türkischen Zeitungen im vergangenen Sommer über die Entdeckung eines Gebetsraumes im Keller eines Gymnasiums im Istanbuler Stadtteil Bagcilar. Obwohl der Direktor beteuerte, es habe sich bei dem Zimmer nur um einen Umkleideraum für Mädchen gehandelt, ermittelte die Staatsanwaltschaft.

Zum Urteil kam es in diesem Fall freilich nicht, denn ein explizites Gesetz gegen solche Gebetsräume an Schulen gibt es nicht, wie sich dabei herausstellte. Dennoch verstößt die Einrichtung von Gebetsräumen an Schulen nach türkischen Vorstellungen gegen den in der Verfassung festgeschriebenen Laizismus, der zwar keine Trennung von Staat und Religion bedeutet, wohl aber die Verbannung der Religion aus dem öffentlichen Raum. „Gebetsräume an Schulen sind ausgeschlossen“, stellte Ata Özer, der Chef der Schulverwaltung in der Provinz Istanbul, erst vor wenigen Wochen wieder öffentlich klar, nachdem in einer Berufsschule wieder ein solcher Gebetsraum aufgeflogen war.

Das bedeutet aber nicht, dass Schüler während der Schulzeit nicht beten dürfen, wie Özer zugleich betonte. „Die Schüler haben ein Recht auf Ausübung ihrer Religion“, erklärte der Schulverwaltungschef. Nur darf dies nicht von der Schule organisiert, angeleitet oder gar forciert werden. An eine Freistellung vom Unterricht zum Gebet ist in der Türkei aber nicht einmal zu denken; entsprechende Forderungen oder Debatten gibt es dort nicht.

Das liegt nicht zuletzt daran, dass auch für tiefgläubige Muslime kein Schaden entsteht, wenn sie mit dem Gebet bis zum Ende der Unterrichtsstunde warten müssen. Denn der Gebetsruf des Muezzin markiert lediglich den Beginn einer Periode, innerhalb derer das Gebet bis zum nächsten Ruf absolviert werden muss. Susanne Güsten, Istanbul

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