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TwinKomplex: Thriller für Freizeitagenten

Das neue Onlinespiel „TwinKomplex“ jagt die Teilnehmer durch Berlin.

Ängstlich guckt die Frau in die Kamera. Jemand wolle sie aus dem Weg räumen, sagt sie. Dann endet die Aufnahme. Nur das kurze Video blieb von ihr übrig. Was mit der Frau passierte, müssen Geheimagenten der DIA herausfinden, der Decentral Intelligence Agency mit Hauptquartier im Tempelhofer Flughafengebäude. So jedenfalls erzählt es „TwinKomplex“, ein neues Onlinespiel – und echte Berlin-Unterhaltung.

Viel spielt im alten Flughafengebäude, der Teilnehmer kommt ins Hotel Bogota am Ku’damm, in Kneipen am Boxhagener Platz, an die Goldelse und in Kunstgalerien. In Videos radelt ein Mann durch Ostberlin, es gibt Ausschnitte von einem Neuköllner Flohmarkt. „Wir wollten das Lebensgefühl Berlins einfangen“, sagt Martin Burckhardt. Der Philosoph steckt hinter dem Agententhriller und ist der Kopf der Berliner Entwicklerfirma Ludic Philosophy. Wie die DIA hat auch sie ihre Büros im Flughafen Tempelhof.

In TwinKomplex werden Spieler zu virtuellen Agenten und lösen im Team komplizierte Fälle. Wer Mitglied der DIA werden möchte, muss zuvor einen Test bestehen. Bei Fragen wie „Welche Fremdsprache sprechen Sie?“ und den zu dieser Frage gegebenen Antwortmöglichkeiten „Mozartkugel oder Handgranate“ mag sich dessen Sinn allerdings nicht auf Anhieb erschließen. Dann geht es los. Das gesamte Spiel läuft im Internetbrowser. Die Teilnehmer reisen durch Berlin und die Welt, durch Vergangenheit und Gegenwart, immer auf der Suche nach neuen Indizien und Erinnerungsschnipseln, nach Fotos und Videos. Viele der Filmchen wurden extra für das Spiel gedreht. Mit dabei sind auch die Fassbinder-Schauspielerin Irm Hermann, ihr Kollege Sebastian Blomberg und Christian Brückner, bekannt als Robert de Niros deutsche Synchronstimme.

Im Labor werden Beweisstücke analysiert und DNA-Proben in Auftrag gegeben. Immer wieder melden sich Personen aus dem Spiel mit Nachrichten und Videobotschaften. Hinweise gibt es auf echten und falschen Internetseiten, auch Desinformation wird bewusst gestreut. Die Grenzen von Realität und Fiktion sollen verschwimmen.

Ein Jahr lang haben 22 Mitarbeiter an dem Spiel gearbeitet, darunter Filmemacher, Drehbuchautoren und Programmierer. Bisher wurde über eine Million Euro investiert. Das Spiel ist auf mehrere Jahre angelegt, das Skript für die ersten drei Monate ist 1600 Seiten dick. „Das war die vollkommene Abenteuerlust, mit allen Medien etwas ganz Neues zu kreieren und eine neue Art zu erzählen zu schaffen“, sagt Burckhardt. Das Spiel nennt er auch „living novel“. Die Erzählstruktur in anderen Games finde er sehr enttäuschend. „Wir bauen gedankliche Labyrinthe, in denen man auf alles achtgeben muss.“

Der Sohn hat bei Burckhardt die Leidenschaft für Computerspiele geweckt. Die aktuellen Games kennt der Vater alle. Burckhardt zeigt sich begeistert von der Computerwelt und spricht von einer neuen Sprache, die man lerne. „Die multimediale Sprache löst die alte Alphabetenschrift ab“, glaubt er. Aus seinen Worten spricht nicht nur der Spieleentwickler, sondern auch der Wissenschaftler. Da ist es kein Wunder, dass das Spiel ab Mitte 2013 durch Hirnströme steuerbar sein soll. Die Macher arbeiten dafür bereits mit der Charité zusammen.

Obwohl die Teilnahme nichts kostet, wollen die Urheber damit Geld verdienen. Spieler sollen sich Upgrades kaufen können, auch Product-Placement ist denkbar. Das Besondere, das TwinKomplex ausmacht, könnte allerdings auch das Problem des Spiels sein: Für Gelegenheitszocker dürfte der Einstieg etwas schwierig sein. Christoph Spangenberg

Das Spiel ist zu finden unter:

www.twinkomplex.de

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