zum Hauptinhalt
Ist ja wie in der Setzerei! Grafikdesignerin Kirsten Dietz ist einer der Erfinder von "Type Hype" in Mitte.

© Thilo Rückeis

Type Hype in Mitte: Einmal quer durchs Alphabet

Zwei Grafikdesigner haben sich in Berlin-Mitte ihren Traum erfüllt: Sie bringen Typografie in die dritte Dimension. Auf Wohnaccessoires, Karten, Kladden, Geschirr - alles made in Germany. Wer Pause vom Shoppen machen möchte, geht an die Milchbar - oder setzt sich an eines der Möbelstücke aus dem Druckereimuseum.

Von Susanne Leimstoll

Die Entscheidung fällt schwer, wo setzt man sich hier lieber auf seine vier Buchstaben? An einem der schmalen Borde mit Blick durch die große Fensterfront auf die längst Mitte-schicke Rosa-Luxemburg-Straße? Zum Zeitunglesen ins stille Eck aufs Druckerbänkchen? An die beiden Minitische seitlich der musealen Korrex-Andruckpresse? Lieber gleich an die blanke Milchbar mitten im Raum, wo einen frische Bauernbrotsandwiches, Zimtschnecken oder Pralinen buchstäblich gierig machen?

Die Regale an den Wänden, das ganze Nebenzimmer lassen einem sowieso keine Ruhe, eine wohl geordnete Kulisse mit bildschön beschrifteten Alltagsgegenständen. Dieses Geschäft ist ein überdimensionierter Setzkasten, irgendwas zwischen Wohlfühlkneipe und nostalgischem Kaufladen.

Typografie in der dritten Dimension

Genau das wollten die Macher von „Type Hype“: einen Ort für alle, die die Nase voll haben vom digitalen Alltag, denen der Sinn steht nach gutem Papier, dekorativen Lettern und hochwertig Gedrucktem. Kirsten Dietz und Jochen Rädeker, Grafikdesigner und Geschäftspartner in der Grafikdesignagentur „Strichpunkt“ mit 70 Mitarbeitern in Berlin und Stuttgart und Großkunden wie Adidas, BMW, Vorwerk oder dem Staatsschauspiel Stuttgart, hatten Lust, Typografie in die dritte Dimension zu bringen – mit schönen, nützlichen, wertvollen Alltagsdingen.

DIN Berlin - für Berliner und Touristen

Sie wollten ein A zum Anfassen, Porzellan, dessen Einzelteile einen Namen formen können, Töpfe, die sich ergänzen wie das Alphabet, Kissen, die das Initial ihres Besitzers tragen. Also ließen sie sich vier Designlinien mit Buchstaben, Zeichen und Zahlen einfallen, die nach Berlin benannt sind und für Berliner wie Berlintouristen als Souvenir taugen. „DIN Berlin“: mit Schwarz, Weiß und nur einer Spur Blattgold was für Puristen. Luise: Schnörkel für Retroromantiker. „Made in Mitte“: lebensfroh mit Aquarellen und handgezeichneten Buchstaben. „Hauptstadt“ für Lokalpatrioten und Ostalgie.

Die Kollektionen, made in Germany und auch online zu haben, wären vielleicht nur eine Idee mehr in der Stadt der Kreativen, wäre nicht der Raum, in dem sie seit kurzem präsentiert werden, so stimmig. Dietz und Rädeker betteten ihre Produkte in die Atmosphäre einer Setzerei. Sie schnappten zu, als das Inventar der aufgelösten Mainzer Universitätsdruckerei zum Verkauf stand. Nun geben Bleisatz und Holzdruckstöcke, eine Montage mit Sitz und Schienen und Setzertische im Laden Anschauungsunterricht.

"Hurenkind" oder "gemischter Satz"?

Das moderne Umfeld ordnet sich dem Thema unter: dunkles Stabparkett, alte Leuchten, geschwärzte Metallstreben an den Regalen, warmes Nussholz an Tischen und Tresen. Selbst der Clou des Ladens ist ein Zitat: die Milchbar. Setzerlehrlinge sollten früher wegen der Bleibelastung viel Milch trinken. Dass man dort zur Morgenlektüre wählen kann zwischen zwei Kaffeeröstungen namens – Achtung, Setzersprache! – „Hurenkind“ und „gemischter Satz“, dass man auch Streuselkuchen oder Croissants mit Marmelade wie von Muttern bekommt, mit Röstzwiebeln oder Fenchelsalami belegtes, mit Fassbutter bestrichenes krosses Brot oder Slow-Food-Snacks, hat etwas mit den Vorlieben der Macher zu tun.

Nachhaltig, regional, hochwertig - bei Essen und Design

„Wir essen, trinken und gestalten eben gern“, sagt Kirsten Dietz. Also bieten sie Ökofeinkost zum Mitnehmen an: Tapinaden, Honig, Olivenöl, Eingewecktes oder auch eigens für ihr Label abgefüllte Rotweine, die einmal im Quartal bei einer Weinprobe vorgestellt werden. „Nachhaltig, regional, hochwertig – so haben wir immer gearbeitet“, sagt Kirsten Dietz. So haben sie wohl auch Sternekoch Michael Hoffmann überzeugt, der künftig Brotsorten aus eigener Backstube liefern will. Die Schanklizenz für Alkohol bei Type Hype ist noch ganz frisch. Bald kann vielleicht bis weit nach 20 Uhr an der Druckerpresse geschmökert oder an der Bar Milch fürs Frühstück in die Emaillekanne gezapft werden.

Im deutschen Handelsverband gefiel das Konzept des Concept-Stores so gut, dass er Type Hype zwei Monate nach Eröffnung mit dem Prädikat „Store of the Year“ auszeichnete. Nur zwei Monate hatten Dietz und Rädeker sich Ende 2013 für den gesamten Umbau gegeben – ein heißer Herbst. Kirsten Dietz wirkt fast schüchtern, wie sie da an der historischen Druckerpresse steht. „Am Anfang“, sagt sie, „hat sich das hier für mich angefühlt wie als Kind. Im eigenen Kaufladen – unterm Weihnachtsbaum.“

Type Hype Store, Rosa-Luxemburg-Str. 9-13, Mitte, Mo bis Sa 8 bis 20 Uhr. www.typehype.com

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false