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Die Qual der Wahl - billig oder anständig?

© dpa

Uber-App contra Taxi-Gewerbe: Jung, dynamisch, erfolgreich

Sind die Deutschen technophob und anti-amerikanisch? Jedenfalls scheinen sie Angst vor allem Neuen zu haben, wie etwa der Uber-App für Mitfahrgelegenheiten. Doch die Geschichte lässt sich auch ganz anders lesen. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Anna Sauerbrey

Personenbeförderungsgesetz! Schon die Abkürzung – PBefG – klingt wie ein verächtliches Schnauben. Deshalb fällt es leicht, den Fall „Uber“, der in dieser Woche Schlagzeilen machte, so zu erzählen: Ein junges dynamisches Start-up aus Silicon Valley erobert Märkte in deutschen Metropolen mit einem Dienst, der per Handy-App Mitfahrgelegenheiten vermittelt. Das deutsche Taxigewerbe, überteuert und unkomfortabel, meint, der frischen Konkurrenz nur mit einer Klage begegnen zu können und erwirkt beim Landgericht Frankfurt eine einstweilige Verfügung auf der Basis des genannten und anderer Gesetze, die den Dienst bundesweit untersagt. Uber macht trotzdem weiter und gewinnt nach eigener Darstellung sogar zahlreiche Neukunden hinzu.

Erzählt man die Uber-Geschichte so, klingt sie nach einem Fall für den Nationalpsychologen. Personenbeförderungsgesetz! Das Ding, Ausfertigungsdatum: 21.03.1961, ist beim Frankfurter Landgericht bestimmt ordentlich abgeheftet. Darin steht’s. Alles verboten, was Spaß macht. So ist es, das hässliche alte Deutschland, das seine Telekommunikation immer noch zu großen Teilen von einem ehemaligen Staatskonzern besorgen lässt. Technophob und latent anti-amerikanisch sind sie, die Deutschen, haben Angst vor allem Neuen und schlagen es mit der Paragrafenkeule tot.

Man ist jetzt auf der Seite von Silicon Valley, ist ja auch cooler

Uber als Symbol der „German Angst“, so ist es an diesem Wochenende im „Economist“ nachzulesen. Und weil, um gleich ein weiteres Klischee zu bedienen, der Deutsche sich gern selbst geißelt, kamen auch viele deutsche Medien zu einer vergleichbaren Ausdeutung. Man ist jetzt auf der Seite von Silicon Valley, ist ja auch cooler. Wir haben schließlich in der Hauptstadt auch eine „Factory“.

Die Deutschland-Stereotype verfälschen die Erzählung und verstellen den Blick auf eine andere Interpretation des Falls Uber. Doch nicht nur sie. Ein weiteres Bild, das nicht ganz stimmig ist, ohne das die Erzählung aber nicht funktioniert, ist das Bild von Uber als Start-up.

Richtig ist, dass Uber ein junges Unternehmen ist. Gegründet wurde es 2009. Doch Uber ist rasant gewachsen. Silicon-Valley-Blogs berichten über Umsätze von 210 Millionen Dollar im Jahr 2013. Selbst, wenn diese aus unklaren Quellen geleakten Zahlen überhöht sein sollten – ein kleiner Fisch ist Uber nicht mehr. Hinter dem Unternehmen stehen zudem extrem finanzstarke Investoren, unter anderem Google Ventures und Goldman Sachs, angeblich will man 29 000 Quadratmeter Bürofläche in San Francisco bauen.

Wir sind zu Recht verliebt in die Kultur des Machens, aus der Unternehmen wie Uber geboren werden. Sie ist auf sympathische Weise anarchisch, besonders wenn sie so fröhlich daherkommt wie rund um die Tischkicker, die es ja wirklich gibt, in den improvisierten Dachgeschossbüros junger Unternehmen in Berlin.

Doch das Bild des Start-ups ist längst zu einem wirksamen politischen Marketinginstrument geworden. Google und Facebook spielen die Dauer-Teenager der Branche und rufen jedem, der sie auf Regelübertretungen hinweist, zu: Aber wir sind jung und erneuern die Welt.

Der Bruch verläuft nicht zwischen Deutschland und Amerika

Das zweite Klischee, ohne das die Geschichte nicht funktioniert, ist der Antagonismus zwischen der deutschen und der amerikanischen Unternehmenskultur. Ein deutscher Gründer, so die Unterstellung, hätte sich über die Rechtslage informiert und es dann gelassen, während die Amis mit ihren Pioniergenen halt einfach nach Westen ziehen.

Doch der Bruch verläuft nicht zwischen Deutschland und Amerika, im Gegenteil. Beide Länder stehen auf derselben Seite. Regierungen und Gerichte aller westlichen Staaten haben zunehmend Probleme, ihre Ordnung gegen Unternehmen durchzusetzen, die rasant wachsen, beinahe so finanzstark sind wie ein öffentlicher Haushalt und den gesamten Globus als Spielfeld zur Verfügung haben. Das zeigt sich, wenn Konzerne wie Apple oder Starbucks durch geschickte Unternehmenskonstruktionen praktisch nirgendwo Steuern zahlen. Es zeigt sich, wenn Burger King droht, mit der Kette Hortons zu fusionieren und seine Zentrale nach Kanada zu verlegen. Es zeigt sich in der vielzitierten Missachtung europäischer Datenschutzstandards durch Google und Facebook. Und eben auch, im kleineren Maßstab, im Fall Uber. Die anarchische Kultur, die es vielleicht tatsächlich braucht, um ein Unternehmen erfolgreich zu starten, kann zur Bedrohung für die Allgemeinheit werden, ist das Ding erst einmal erwachsen.

Dass Deutsche manchmal zu ängstlich sind: geschenkt. Dass der Fall Uber rechtlich noch spannend werden könnte: na klar. Aber wenn Unternehmen sich über Gesetze hinwegsetzen, müssen die Deutschen nicht auf die Couch. Sondern auf die Barrikaden.

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