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Harald Martenstein hat sich ein Haus in der Uckermark gekauft. Mit den kalten Temperaturen hatte er nicht gerechnet.

© dpa

Winter in der Uckermark: Über die Überraschungen des Klimawandels

Was denn nun: Wird es heißer oder kälter auf der Welt? Harald Martenstein hat ein Haus in der Uckermark und bereitet sich dort auf Besuch von Eisbären vor.

Ich bin kein Klimaskeptiker. Diesen Schuh ziehe ich mir nicht auch noch an. Ich glaube, was die Klimaforscher sagen, also, was die Mehrheit von ihnen sagt. Vor ein paar Jahren sagten sie, das Klima in Deutschland wird wärmer. Es wird in Deutschland so ähnlich sein wie am Mittelmeer. Am Mittelmeer aber wird es unerträglich heiß sein. Daraufhin habe ich mir, ebenfalls vor ein paar Jahren, ein Häuschen in der Uckermark gekauft. Ich dachte, andiamo, la Uckermarca, das neue Italien. Es ist wissenschaftlich bewiesen. Den Fortschritt hält keiner auf. Gerhard Schröder aber hat, trotz aller Prognosen der Wissenschaft, ein Ferienhaus in der Türkei gekauft. Ich wäre bereit gewesen, die Schröders bei mir aufzunehmen, wenn sie es in der Türkei, bei 60 Grad im Schatten, nicht mehr aushalten.

Aber es ist immer kälter geworden. In der Uckermark hatte es im Winter wochenlang 20 Grad minus. Den Winter verbringe ich, wenn ich nicht arbeite, eigentlich nur noch in der Sauna. Ich wollte ein Italiener sein. Stattdessen bin ich ein Finne geworden. Der vorletzte Winter war ein Rekordwinter, in Florida gab es Eiszapfen, in Großbritannien die tiefsten Temperaturen seit 30 Jahren. Ich schrieb einen Artikel, in dem ich die Völkergemeinschaft bat, den CO₂-Ausstoß zu erhöhen, damit ich nicht erfriere. Daraufhin lud mich ein sehr netter Klimaforscher in sein Institut ein.

Die Erinnerung an die Kindheit trügt

Er zeigte mir Tabellen und Kurven, aus denen klar hervorgeht, dass es wärmer wird. Er meinte, dass ich ein Opfer meiner subjektiven Vorstellungen sei. Die Erinnerung trügt. Man glaubt, dass es in der Kindheit warm gewesen ist von Mai bis September. In Wirklichkeit war es nur drei Tage warm, aber an diese schönen drei Tage erinnert man sich eben besonders intensiv. Die Tabellen der Klimaforscher dagegen lügen nicht. Natürlich werde es auch in Zukunft hin und wieder einen kalten Winter geben, sagte der Forscher. Man müsse sich, wenn es draußen minus 20 Grad hat, nur klarmachen, dass es ohne die Klimaerwärmung sogar minus 23 oder minus 25 Grad wären. Das hat mir alles eingeleuchtet.

Dann wurde es wieder Winter. Ich dachte die ganze Zeit: "Dies kommt mir jetzt wie einer der härtesten und längsten Winter meines Lebens vor, aber ich irre mich, das ist nur wieder mein verdammter Subjektivismus." Plötzlich aber las ich in der Zeitung, dass etliche Klimaforscher ihre Meinung geändert haben. Sie sagen jetzt, dass es nicht wärmer wird, sondern kälter, in Europa jedenfalls. Ersparen Sie mir die Begründung.

Klimaforschern lässt man alles durchgehen

Was ist aus den Tabellen geworden, frage ich jetzt einfach mal. Vor zwei, drei Jahren haben die Tabellen doch noch das Gegenteil ausgesagt. Ob es immer wärmer wird oder immer kälter, das ist beim Klima doch die allergrundsätzlichste Frage, wenigstens das müsste eine Wissenschaft doch verbindlich klären können. Von jedem Mathematiker wird gefordert, dass er zumindest plus und minus auseinanderhalten kann. Man stelle sich vor, die Biologen erklärten morgen, sie hätten sich geirrt, der Löwe sei gar kein Raubtier, sondern ein Wiederkäuer. Oder die Physiker gäben bekannt: "Kommando zurück, Wasser kocht schon bei 90 Grad." Was die zu hören bekämen! Aber den Klimaforschern lässt man alles durchgehen.

Auch in der Türkei war der letzte Winter übrigens besonders hart. Die Sommer in der Türkei werden dagegen mild sein und angenehm. Schröder hat wieder mal alles richtig gemacht mit seiner Agenda. Die Eisbären aber sterben nicht aus, nein, sie besiedeln die Uckermark. Ich bin kein Klimaskeptiker. Ich bin nur sehr enttäuscht.

(Quelle: www.zeit.de)

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