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Berlin: Über 1,2 Millionen Stimmzettel wurden ausgezählt - Hintergrundinformationen

Nach den Landtagswahlen am Sonntag hatten die Statistiker, Rechner und Politiker das Wort. Sie analysierten die Ergebnisse aus ihrer Sicht.

Nach den Landtagswahlen am Sonntag hatten die Statistiker, Rechner und Politiker das Wort. Sie analysierten die Ergebnisse aus ihrer Sicht.

Ehrenamtliche Helfer bei der Wahl

Landeswahlleiter Arend Steenken hat den fast 25 000 ehrenamtlichen Helfern für ihren Einsatz bei der Landtagswahl am Sonntag gedankt. Sie hätten in den 3500 Wahllokalen für einen reibungslosen Ablauf der Stimmabgabe gesorgt. Insgesamt seien 1 116 849 Stimmzettel ausgewertet worden. Der Wahlleiter sprach auch den Mitarbeitern der Deutschen Post AG, der Wahlämter von Gemeinden, Kreisen und Städten sowie den Angestellten des Landesamts für Datenverarbeitung und Statistik in Potsdam seinen Dank aus.

Überhangmandate

Sogenannte Überhangmandate sorgen immer wieder für Überraschungen. Mit ihrer Hilfe kann eine Partei mehr Sitze in einem Landtag oder im Bundestag erringen, als ihr eigentlich zustehen. Normalerweise entscheiden die Zweitstimmen über die Zahl der Mandate, die auf eine Parteiliste entfallen. Gewinnt eine Partei aber mit Hilfe der Erststimmen mehr Direktmandate, als ihr nach Auszählung der Zweitstimmen zustehen, kann sie die überzähligen Sitze als Überhangmandat trotzdem behalten.

Im Brandenburger Landtag sitzen dank eines Überhangmandates künftig 37 statt 36 SPD-Abgeordnete. Insgesamt gibt es somit 89 Parlamentarier in Potsdam. Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg, Berlin, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein gewähren den anderen Parteien dafür die sogenannten Ausgleichsmandate. Massives Stimmensplitting, viele kleine Wahlkreise und regional stark unterschiedliche Wahlbeteiligung begünstigen Überhangmandate.

Der jüngste Abgeordnete

Der jüngste Abgeordnete des neuen Landtags kommt aus der südlichsten Kommune Brandenburgs: Ingo Senftleben (CDU), der am 10. August seinen 25. Geburtstag feierte, ist in Ortrand (Oberspreewald-Lausitz) an der sächsischen Grenze zu Hause. Er hatte den fast aussichtslosen Platz 35 auf der CDU-Landesliste inne, konnte aber am Sonntag eines der beiden Direktmandate für seine Partei gewinnen.

Jetzt gilt es für den Landtags-Newcomer, drei Dinge unter einen Hut zu bringen: Den Vollzeitjob als Vorarbeiter einer Baufirma, die neue Abgeordneten-Tätigkeit und das Fernstudium der Hochbautechnik in Dresden, das er im nächsten Jahr beenden will. "Wenn man das gut organisiert, kriegt man alles auf die Reihe", sagte Senftleben.

Gelassenheit auch nach dem DVU-Einzug

Der Vorsitzende des Industriell Investment Council (IIC), Hans Christoph von Rohr, rechnet nicht mit einem ernsthaften Rückschlag für die Investitionen in die ostdeutschen Industrie nach dem Einzug der DVU in des brandenburgische Landesparlament. Die international agierenden Unternehmen mit ausgefuchsten Marketing- und Controlling-Strategen wüssten den angesichts 50-prozentiger Wahlbeteiligung relativ geringen Stimmenanteil für die rechtsextreme Partei richtig einzuschätzen, gab sich Rohr am Montag vor Journalisten in Berlin überzeugt.

Kritik der Gewerkschaften

Die Brandenburger Wähler haben nach Einschätzung des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB) dem "unsozialen Kurs von Rot-Grün" die rote Karte gezeigt. Die Debatten um Renten und fehlende Steuergerechtigkeit hätten viele Wähler verunsichert, erklärte der DGB-Landesvorsitzende von Berlin-Brandenburg, Dieter Scholz. Die SPD müsse erkennen, dass soziale Gerechtigkeit für die Menschen einen hohen Stellenwert besitze. Der DGB sehe sich zudem bestätigt, für die Wiedereinführung der Vermögensteuer zu streiten.

Der Landesvorsitzende zeigte sich schockiert vom Einzug der DVU in den Landtag. Diese Partei kenne und vertrete die Brandenburger Interessen nicht. Eine Phantompartei könne sich nicht als Volkstribun aufspielen. Ermöglicht habe dieses Ergebnis eine beschämende Wahlbeteiligung. Dies müsse für die Berliner Abgeordnetenhaus-Wahl am 10. Oktober eine Lehre sein.

DVU-Wahlkampfkosten

Die rechtsextreme DVU des Münchner Multimillionärs Gerhard Frey erhält in den kommenden fünf Jahren 291 125 Mark ihrer Wahlkampfkosten vom Steuerzahler zurück. Für jede der 58 225 Zweitstimmen wird pro Jahr eine Mark aus dem Landeshaushalt ausgezahlt, sagte Landtagssprecher Jürgen Itzfeld am Montag auf Anfrage. Rückerstattet werden nicht mehr als die tatsächlich nachgewiesenen Kosten. Die DVU soll jedoch nach unbestätigten Angaben 2,5 Millionen Mark für ihren "Phantomwahlkampf" in Brandenburg ausgegegen haben. Die DVU-Fraktion kann außerdem bis zum Ablauf der Legislaturperiode auf 584 131 Mark Fraktionsgelder rechnen, wobei die Diäten noch nicht berücksichtigt sind. Pro Jahr werden an jede Fraktion 76 461 Mark plus 3400 Mark je Fraktionsmitglied gezahlt. Bei Oppositionsparteien erhöht sich dieser Betrag um 25 Prozent. Das wären für die DVU-Fraktion 116 826,25 Mark pro Jahr.

DVU-Hochburgen

Die rechtsextreme DVU wird dem künftigen Brandenburger Landtag mit fünf Abgeordneten angehören. Sie erhielt 58.225 Stimmen (5,28 Prozent). Das sind rund 2500 Stimmen mehr, als für den Einzug ins Landesparlament erforderlich waren. Ihre besten Ergebnisse erzielte die Partei in einigen südbrandenburgischen Wahlkreisen, in denen früher die DSU stark war. Den mit 7,4 Prozent höchsten Stimmenanteil bekamen die Rechtsextremen jedoch im Wahlkreis 17 (Märkisch-Oderland II). Über sieben Prozent errang die DVU auch in den Wahlkreisen 37 (Oberspreewald-Lausitz I), 36 (Elbe-Elster II) und 44 (Spree-Neiße III).

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