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Berlin: Über 731 Bögen und 64 Brücken

Auf den Tag genau seit 125 Jahren durchquert die Stadtbahn das Zentrum. Das Militär wollte sie haben – aber profitiert haben vor allem die Berliner

Sie hat Berlin verändert wie wohl kein Verkehrsbau zuvor – die Stadtbahn. Quer durch das Zentrum verbindet sie den heutigen Ostbahnhof mit dem Bahnhof Charlottenburg. Heute vor 125 Jahren dampften die ersten Vorortzüge über die damals 731 gemauerten Bögen und 64 Brücken. Am 15. Mai folgten die Fernzüge. Groß feiern will die Bahn das Jubiläum aber nicht. Nur einige Bahnhofsfeste soll es in diesem Jahr noch geben. Die einst wichtigste Strecke in der Region Berlin steht bei der Bahn heute nicht mehr an erster Stelle.

Einst war die Stadtbahn so etwas wie ein in die Länge gezogener Hauptbahnhof. Zum ersten Mal konnten die Fahrgäste im Zug sitzen bleiben, wenn sie die Stadt in Ost-West-Richtung durchqueren wollten. Vorher gab es nur Kopfbahnhöfe, die ursprünglich vor der Stadtgrenze lagen. Verbunden wurden sie durch die 1877 vollendete Ringbahn.

Vor allem dem Militär passte das zuvor erforderliche Rangieren der Wagen und das notwendige Umsteigen der Soldaten überhaupt nicht. Die Militärstrategen hatten längst erkannt, wie wichtig die Eisenbahn im Krieg sein konnte.

Doch zunächst war der Stadtbahn-Bau ein ziviles Projekt. Nur ging die extra gegründete Stadteisenbahngesellschaft während der Bauarbeiten pleite, so dass am Ende doch der Staat den Bau vollenden musste, wohlwollend unterstützt von den Militärs.

Tatsächlich war es vor allem die Zivilbevölkerung, die von der Stadtbahn profitierte. Im Fernverkehr fuhren die Züge unter anderem über Hannover nach Köln sowie Richtung Osten nach Königsberg und Danzig, Breslau und Kattowitz. Die Fernzüge hielten im Ostbahnhof, Alexanderplatz, Friedrichstraße und viele auch in Charlottenburg. 1884 wurde zudem der Bahnhof Zoo zur Fernbahnstation ausgebaut. Die Fahrgäste sollten möglichst kurze Wege zu den Bahnhöfen haben.

Heute lässt die Bahn ihre Fernzüge nur noch im Ostbahnhof sowie im neuen Hauptbahnhof halten. Alexanderplatz und Friedrichstraße waren schon vor Jahren zu Regionalbahnhöfen zurückgestuft worden, der Bahnhof Zoo folgte Ende Mai 2006 mit der Eröffnung des Hauptbahnhofs. Die Bahn setzt jetzt vor allem auf die neue – und teurere – Nord-SüdVerbindung mit dem Tunnel unter dem Tiergarten. Die Stadtbahn hat deshalb einen großen Teil des Fernverkehrs verloren; unter anderem die ICE-Verbindung von Hamburg nach München. Ob weitere Fernzüge von der Stadtbahn verschwinden, ist derzeit ungewiss. Erwogen hatte es die Bahn bereits. So sollten die Züge aus Frankfurt am Main im Bahnhof Südkreuz enden.

Wichtig bleibt die Ost-West-Verbindung aber auf jeden Fall für den Regionalverkehr und die S-Bahn. Seit 1928 fahren die Vorortzüge elektrisch. In dieser Zeit entstand auch der Begriff „S-Bahn“, die nun eine „Stadtschnellbahn“ war.

Mehrfach wurden die Anlagen umgebaut, um sie dem wachsenden Verkehr anzupassen. Zuletzt wurde die Stadtbahn von 1994 bis 1998 für rund eine Milliarde Euro aufwendig saniert. Der Fernverkehr war zwischen Ostbahnhof und Zoo unterbrochen. In den ersten Tagen nach der Wiederinbetriebnahme geriet der Betrieb völlig durcheinander. Im für den ICE-Verkehr umgebauten Betriebswerk Rummelsburg hatten die neuen Gleisnummern die Mitarbeiter so verwirrt, dass sie nicht mehr die richtigen Züge fanden.

Heute fahren täglich rund 300 Fern- und Regionalzüge sowie 600 S-Bahnen über die Stadtbahn, die bis 2006 sogar auf den Fernfahrkarten der Bahn als Ziel in Berlin stand. Damit ist es vorbei, jetzt geht es nur noch nach Berlin. Aber die Stadtbahn bleibt – bestimmt auch die nächsten 125 Jahre.

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