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Berlin: Über die Fehler der Schriftsteller (Kommentar)

Zu den schwersten Fehlern, die ein Schriftsteller machen kann, gehört ein Germanistikstudium. Denn Literatur entsteht nicht im Seminar, sondern im Leben.

Zu den schwersten Fehlern, die ein Schriftsteller machen kann, gehört ein Germanistikstudium. Denn Literatur entsteht nicht im Seminar, sondern im Leben. Weil das aber auch mächtig altväterlich klingt, will ich das erst mal auf sich beruhen lassen. Jedenfalls ist Literatur, wenn sie mehr sein will als handwerklich gekonnte Unterhaltung, schulstubenfeindlich. Obwohl die Schulstubenfeinde alles tun, um sich nach einem Sicherheitsabstand, der die Texte historisch gemacht hat, den literarischen Traditionsbestand unter den Nagel zu reißen. Der zweitschwerste Fehler, den ein Schriftsteller machen kann, besteht darin, als Hauptfigur einen Germanistikstudenten zu nehmen. Ich konnte mir noch nie vorstellen, was an Germanistikstudenten für nichtgermanistische Leser so interessant sein soll. Aber bei Büchern um solche Helden handelt es sich wahrscheinlich um Zielgruppenliteratur, und das ist in Ordnung. Es gibt zum Beispiel Romane für die Zielgruppe der Jungfrechfrau, gern alleinerziehend; es gibt auch Romane für die Zielgruppe des aufstrebenden Nachwuchses aus dem Mittelstand, häufig im "Werbebereich" oder im "Medienbereich" tätig. Warum sollte es da nicht einen Roman für die Zielgruppe der Germanistikstudenten geben.

Der neue Roman von Volker Kaminski schließt diese Lücke. Kaminski hat Germanistik studiert, sein Held hat Germanistik studiert, und so darf seine Leserschaft getrost auch Germanistik studiert haben. Übrigens: So schlimm ist das auch wieder nicht; ich weiß, wovon ich rede. Volker Kaminski stellt seinen Roman "Söhne Niemands" morgen um 21 Uhr im Buchhändlerkeller vor. Ilse Schmidt wurde mit 21 Jahren, der Krieg lief schon, Bürokraft im Marineministerium. Sie landete dann als Stabsassistentin in einer Propaganda-Einheit im besetzten Paris, danach kam sie nach Belgrad und schließlich in die Ukraine. Nach dem Krieg hat sie dann für die sowjetische Militärverwaltung gearbeitet. Morgen um 20 Uhr führt sie im Literaturforum mit Wolfgang Benz ein Gespräch über ihr Leben "Als Frau in der Wehrmacht".

Als junger Mann in der Nationalen Volksarmee. Davon erzählt der Roman "Tausend Tage" von Christoph D. Brumme. Als Pröbchen ein Dialog, so man das einen "Dialog" nennen kann, zwischen dem Helden und einem Major: "Intelligente Leute wie Sie sind gefährlich. Merken Sie sich das, zu ihrem eigenen Nutzen. - Jawohl, Genosse Major! - Und bilden Sie sich nicht ein, dass ich Sie wegen Ihrer bisherigen Arbeit besonders schätze. Sie haben viel zu wenig geleistet. Alte Verdienste zählen bei mir nicht. - Jawohl, Genosse Major! - Künftig wird hier nur nach einer Pfeife getanzt. - Das ist doch selbstverständlich, Genosse Major." Mehr von Christoph D. Brumme am Samstag um 19 Uhr in der Buchhandlung im Bahnhof Alexanderplatz.Aus der Serie "Babel & Co"

Bruno Preisendörfer

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