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Mauergedenken.

© dpa

Berlin: Über die Mauer hinweg

Fast drei Millionen Menschen haben die Gedenkstätte an der Bernauer Straße besucht – nun gibt es dort zwei neue Ausstellungen.

Jan-Michael G. wollte an der Ruppiner Straße fliehen. Hier führten Tore für die Grenztruppen durch Hinterlandmauer und Signalzaun. Jan-Michael G. durchbrach am 8. April 1989, abends, mit einem schweren Lastwagen beide Tore, jedoch verfing sich der LKW in einer Seilsperre, die speziell für das Abfangen von Lastwagen konstruiert war. Jan-Michael G. wurde festgenommen und dem Ministerium für Staatssicherheit übergeben. Diese Geschichte ist so wahr wie alle anderen, von denen Fotos und Schrifttafeln an der Gedenkstätte Berliner Mauer erzählen. Vieles ist hier geschehen in den 29 Mauer-Jahren, als die Bernauer Straße geteilt war: Sie ist ein gutes Beispiel für eine ganze geteilte Stadt mit ihren Dramen und Tränen, mit dem Leid zu beiden Seiten des Betonwalls, der hier zwischen Mitte und Wedding verlief und dessen ganze Brutalität ein Luftbild sichtbar macht: Hinterlandmauer, Postenweg, spanische Reiter und dann das ganze große graue Monstrum, mitten Berlin.

Die Bernauer Straße ist wie kaum eine andere geeignet, die Mauer mit vielem, was um sie herum passiert ist, ins Bewusstsein der Heutigen zurückzuholen. Die Gedenkstätte vom Nordbahnhof bis zur Brunnenstraße ist als Open-Air-Ausstellung ein Gedenkort, der das Authentische mit ungekünstelter Schlichtheit verbindet. Allein 2011 besuchten mehr als 650 000 Menschen die Gedenkstätte, in den ersten fünf Monaten dieses Jahres kamen schon 245 000, „wir gehen auf die drei Millionen zu“, sagte Staatssekretär André Schmitz gestern bei der Eröffnung eines weiteren Abschnitts der Gedenkstätte an der Bernauer/Ecke Wolliner Straße. Zu sehen sind die Themenstationen „Die Mauer in der Politik“ zwischen Ruppiner und Swinemünder Straße sowie „Der Kalte Krieg und seine Medien“zwischen der Swinemünder und Wolliner Straße. Großformatige Fotos zeugen von den verzweifelten Versuchen, über die Mauer hinweg Kontakt zu Freunden und Verwandten aufzunehmen, man sieht, wie Staatsmänner die Mauer betrachten und welch publizistischer Krieg um das Bauwerk geführt wurde. „Hier wird Geschichte spürbar und die Bedeutung von Freiheit und Demokratie deutlich: Diktaturen können überwunden, Freiheit kann errungen werden. Das müssen wir gerade denjenigen zeigen, die die Mauer nicht mehr selbst erlebt haben“, sagt André Schmitz als Vorsitzender des Stiftungsrates Berliner Mauer. Für Kosten von insgesamt 37 Millionen Euro soll der Erinnerungsort am Ende 1,4 Kilometer lang sein, mitten im Areal steht die Versöhnungskapelle, die an die 1985 von DDR-Grenztruppen gesprengte Versöhnungskirche erinnert und wo jeden Tag die Biografie eines Mauertoten verlesen wird. Zu sehen gibt es Teile der Original- Grenzanlage, Wachturm, Keller abgerissener Häuser und immer wieder Erinnerungen an Menschen, die ihr Leben riskierten, um die Mauer zu überwinden. Allerdings sind Postenweg und Todesstreifen stellenweise mit Wohnhäusern und Gärten bebaut, man ist noch „streitbefangen“ in diesem Interessenkonflikt, aber Schmitz verspricht den Bewohnern: Es wird keine Enteignungen geben.

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