zum Hauptinhalt

Berlin: Überfüllte Gefängnisse trotz Amnestie Zellenbelegung zum Teil sogar verfassungswidrig

In Berlin sind weiterhin 166 Gefangene verfassungswidrig untergebracht. Denn in Moabit müssen sich zwei Gefangene eine Zelle teilen, in der die Toilette nicht abgeteilt ist, sondern mitten im Raum steht.

In Berlin sind weiterhin 166 Gefangene verfassungswidrig untergebracht. Denn in Moabit müssen sich zwei Gefangene eine Zelle teilen, in der die Toilette nicht abgeteilt ist, sondern mitten im Raum steht. Dies hatte das Kammergericht bereits 2004 als Verstoß gegen die Menschenwürde gegeißelt – seitdem gab es keine Änderung der Situation. „Das gehört zu den eher unrühmlichen Kapiteln der Berliner Justizgeschichte“, hatte Ex-Senatorin Karin Schubert damals beklagt. Die neue Justizsenatorin Gisela von der Aue (SPD) sagte gestern bei der ersten Sitzung des Rechtsausschusses nach der Abgeordnetenhauswahl, dass „nur Neubauten Erleichterung bringen werden“ – die verfassungswidrige Situation wird also noch Jahre fortbestehen. Zudem besteht für das Land ein hohes Kostenrisiko, wenn Gefangene vor Gericht Schmerzensgeld wegen ihrer Unterbringung einklagen. Entsprechende Urteile gibt es bereits, 2005 hatte Ex-Senatorin Schubert eingeräumt, dass „diese Frage virulent bleibt“. Doch grundlegende Entspannung ist erst 2012 in Sicht, wenn im brandenburgischen Großbeeren die neue JVA mit 648 Haftplätzen fertig wird. Über den 87-Millionen-Bau wird seit zehn Jahren diskutiert, Baubeginn soll nun 2008 sein.

Derzeit beträgt die Belegung bis zu 123 Prozent, das heißt, sehr viele Gefangene müssen sich eine Zelle teilen. Wie von der Aue sagte, seien die höhere Kriminalitätsrate und härtere Strafen vor allem gegen Intensivtäter Ursachen für die hohe Zahl der Gefangenen. Aus Sicht der Grünen gibt es einen zweiten Grund: „Berlin ist bei Zwei-Drittel-Entlassungen bundesweit Schlusslicht“, sagte der Abgeordnete Benedikt Lux gestern im Rechtsausschuss. Eine Entlassung nach zwei Dritteln ist nach Gesetzeslage zwar Normalfall, doch in Berlin sitzen sehr viele Straftäter bis zum letzten Tag. Von der Aue kündigte gestern an, dass eine Arbeitsgruppe die Zahl der Zwei-Drittel-Entlassungen steigern soll. Für die Grünen ist der Personalmangel schuld daran, dass viele Gefangene während der Haft kaum betreut werden können und sie deshalb dann kein Recht auf eine vorzeitige Entlassung haben. Gefangene beklagen dies seit Langem: Vor genau einem Jahr hatte eine kurze Meuterei in Tegel Aufsehen erregt. 29 Gefangene hatten sich nach dem Hofgang geweigert, in die Zellen zu gehen. Während die Anstaltsleitung damals „schlechtes Essen“ als Motiv angab, hatten Teilnehmer der Meuterei in Briefen an den Tagesspiegel absolut fehlende Perspektivlosigkeit, mangelnde Betreuung und schlechte Resozialisierungschancen genannt. Der Personalrat bestätigte damals, dass Personalabbau eine Ursache der Meuterei war.

Bei der Weihnachtsamnestie 2006 kamen jetzt 218 Gefangene ein bis drei Monate vor dem regulären Ende frei – eine Zahl, die kaum Entlastung schafft, wie Experten kritisierten.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false