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Im Getümmel. Polizisten laufen Streife auf dem Weihnachtsmarkt am Alexanderplatz. Für die Sicherheit der Besucher ist aber erstrangig der Veranstalter verantwortlich.

© Björn Kietzmann

Update

Überfüllte Märkte im Advent: Platzangst auf dem Weihnachtsrummel

Vorweihnachtszeit in der Millionenstadt: Zwischen Fahrgeschäften und Buden drängen sich die Menschenmassen. Selbst manche Schausteller fühlen sich eingeengt. Das Bezirksamt Mitte will der Sache jetzt nachgehen.

Nach dem gefährlichen Gedränge auf dem Weihnachtsmarkt "Wintertraum am Alexa" will das Bezirksamt Mitte jetzt mit dem Veranstalter reden. "Wir werden das überprüfen", sagte die Leiterin der Bauaufsicht, Tanja Lier, dem Tagesspiegel. Bisher habe es keine Beschwerden am Alexa gegeben. Der Markt sei im Vorfeld geprüft und abgenommen worden. Lier vermutet, das wegen des verkaufsoffenen Sonntags am 2. Advent besonders viele Besucher in der Stadt gewesen seien. Am Samstagabend hatte sich der Markt am Alex, der eher wie ein Rummelplatz gestaltet ist, in ein drangvolles Labyrinth verwandelt. Eine Besucherin erlebte ihre erste Weihnachtsmarkt-Panik: „Am Riesenrad geht es kaum noch vorwärts, die Masse drängt von vorn und von hinten zum Ausgang. Ich fühle mich eingequetscht und eingesperrt in der Menge, kann mich kaum noch bewegen. Ständig stößt mir jemand in den Rücken. An die Glühweinbuden und Süßwarenstände kommen wir erst gar nicht heran. Eine Mutter hält zwei kleine Kinder an der Hand, eines wird von der drückenden Menge von hinten geschubst und fällt zu Boden.“ Die Geschichte geht glücklicherweise gut aus: Nach 15 Minuten Herumirren erreichte die Besucherin einen Notausgang. Aber Weihnachtsmärkte in der Innenstadt wird sie bis auf weiteres meiden.

„Es ist eine Schande, aber wir Schausteller sind leider machtlos. Unsere Mitarbeiter berichten ständig, wie voll es dort ist. Die Veranstalter haben alles eng zugebaut und die Besucher haben kaum noch Freiraum“, sagte eine Mitarbeiterin der Steiger OHG, die das Riesenrad auf dem Weihnachtsmarkt betreibt, dem Tagesspiegel.

Ähnliche Erlebnisse schildern Nutzer des Online-Bewertungsportals „Qype“: „Wir waren gestern als Gruppe da und das war eine Katastrophe, es war so voll, dass man sich nicht richtig bewegen konnte, geschweige denn voran kam.“

Wintertraum-Veranstalter Charles Blume weiß nichts von solchen Problemen. „Es gab an keinem Tag eine Überfüllung“, allenfalls sei es zu „Stockungen“ im Menschenstrom gekommen. 3000 Besucher dürften maximal auf das 15 000 Quadratmeter große Gelände. Die Fläche ist zu 80 Prozent mit Buden und Fahrgeschäften bebaut. Die Beurteilung, ob der Platz überfüllt ist oder nicht, liegt im Ermessen des Veranstalters. Im vergangenen Jahr habe man den Weihnachtsmarkt zweimal wegen Überfüllung geschlossen, sagt Blume, in diesem Jahr rechnet er nicht mehr damit.

Was passiert, wenn es zu einer Massenpanik kommt?

Sollte es tatsächlich zu einer Panik kommen, sieht Blume sich gut gewappnet. „Nach dem Loveparade-Unglück von Duisburg haben wir die Zahl der Sicherheitskräfte verdoppelt und die Straßen zwischen den Buden verbreitert.“ Im Ernstfall würden die Fahrgeschäfte gestoppt, damit die Menschen auf die abgesperrten Bereiche ausweichen können. Außerdem gebe es neben den zwei regulären Ausgängen noch sechs Notausgänge. „Die sind mit Fahnen gekennzeichnet und immer offen.“

Die Veranstalter müssen beim Bezirksamt ein Sicherheitskonzept einreichen, das von Polizei, Feuerwehr und Ordnungsamt begutachtet wird. Danach ist der Veranstalter selber für die Sicherheit zuständig. Die Polizei läuft allenfalls Streife, um den Taschendiebstahl einzudämmen. Auf Großveranstaltungen wie die Fanmeile oder Silvester am Brandenburger Tor werde die Menschenansammlung per Video überwacht, sagt Harald Büttner vom Tiefbauamt Mitte. Eine Stabsstelle aus Polizei, Feuerwehr, Rettungsdienst und Bezirksvertretern entscheide, wann die Zugänge geschlossen werden. Als maximale Auslastung habe man sich auf vier Menschen pro Quadratmeter geeinigt. Ein optischer Anhaltspunkt zum Eingreifen ist, "wenn sich die Masse nicht mehr bewegt." Auf den Weihnachtsmärkten gebe es keine Videoüberwachung, deshalb entscheide der Veranstalter selbst, wann er Zugänge schließt. Bildet sich ein Gedränge, haben die Händler das Nachsehen, weil sie weniger Umsatz machen. Büttner vermutet, dass die Veranstalter die Märkte trotzdem nicht schließen, weil sie einen Imageschaden befürchten. "Das spricht sich schnell herum."

Der Weihnachtsmarkt am Schloss Charlottenburg ist am Wochenende „sehr, sehr voll“, sagt eine Sprecherin, dagegen könne man aber nichts unternehmen. „Wir werben bei den Besuchern, uns in der Woche zu besuchen.“ Hans-Dieter Laubinger, der den Weihnachtsmarkt am Roten Rathaus betreibt, sieht wegen der breiten Zugänge und großen Freiflächen auf dem Gelände keine Gefahr für eine Massenpanik. „Es war sehr voll am Wochenende, es gab aber kein Gedränge.“

Ein Sprecher der Feuerwehr kennt das Problem solcher Großveranstaltungen: „Für die Rettungskräfte ist es immer schwierig, da durchzukommen.“ Sein Rat an die Weihnachtsmarktbesucher: „Versuchen Sie an Fahrgeschäfte ranzukommen und ruhen Sie sich dort kurz aus.“

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