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50 000 Euro für elf Amtstage: Übergangsgeld für Abgeordnete soll an Amtszeit gekoppelt werden

Nach der Entlassung von Justizsenator Braun wollen die Grünen das Senatorengesetz ändern.

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Der Streit um das Übergangsgeld für den entlassenen Justizsenator Michael Braun (CDU), dem aus der Landeskasse im nächsten halben Jahr rund 50 000 Euro für seine elf Tage im Amt zustehen, wird rechtliche Folgen haben. Nicht nur die Linke, sondern auch die Regierungsfraktionen SPD und CDU finden den Vorschlag der Grünen-Fraktionschefin Ramona Pop sympathisch, die Übergangsbezüge an eine Mindestamtszeit zu knüpfen. Zum Beispiel 100 Tage.

Nach der Weihnachtspause werde es einen entsprechenden Antrag der Grünen zur Änderung des Senatorengesetzes geben, kündigte Fraktionssprecher Matthias Schröter an. Der SPD-Rechtsexperte Frank Zimmermann sicherte eine wohlwollende Prüfung zu. Der CDU-Landeschef Frank Henkel zeigte sich ebenfalls aufgeschlossen, und auch der Linken-Landesvorsitzende Klaus Lederer steht einer „Präzisierung des Gesetzes“ offen gegenüber. Nur die Piraten haben sich noch keine Meinung gebildet. Auf die Forderung des Bundes der Steuerzahler, das Übergangsgeld zu spenden, hat Ex-Senator Braun bisher nicht reagiert.

Das Übergangsgeld für Regierungsmitglieder und Abgeordnete soll den ausscheidenden Politikern den beruflichen Wiedereinstieg erleichtern, indem die Zeit finanziell überbrückt wird, die ein Minister oder Volksvertreter benötigt, um in den alten Beruf zurückzukehren oder sich neu zu orientieren. Im Bund und in allen Ländern gibt es dafür gesetzliche Regelungen. Das Risiko des politischen Lebens, das auf zeitlich befristeten Ämtern und Mandaten beruht, soll auf diese Weise abgefedert werden. Aber in regelmäßigen Abständen wird darüber diskutiert, ob Übergangsgelder – ähnlich wie die Altersversorgung – zu einer Überversorgung von Politikern führen.

In Berlin erhalten Senatsmitglieder, die entlassen werden, „mindestens für sechs Monate und höchstens für zwei Jahre“ ein Übergangsgeld, das in den ersten drei Monaten dem vollen Amtsgehalt plus Zuschläge entspricht. Anschließend wird die Hälfte der Amtsbezüge gezahlt. Wenn dem ehemaligen Senatsmitglied gleichzeitig ein Ruhegehalt (Altersversorgung) zusteht, wird dieses vom Übergangsgeld abgezogen. Ab dem zweiten Monat des Amtsverlustes werden außerdem alle Erwerbseinkünfte aus einer privaten Berufstätigkeit angerechnet. Diese Regelung gilt seit 1998 und wurde seitdem nicht mehr angetastet.

Und weg war er. Michael Braun, Kurzzeit-Senator für Justiz, stolperte über sein umstrittenes Verhalten als Notar. Foto: ecopix/Zensen
Und weg war er. Michael Braun, Kurzzeit-Senator für Justiz, stolperte über sein umstrittenes Verhalten als Notar. Foto: ecopix/Zensen

© ecopix/Zensen

In den Stadtstaaten Hamburg und Bremen gelten ganz ähnliche Konditionen. Allerdings müssen sich Kurzzeit-Senatoren in Hamburg mit drei statt sechs Monaten Übergangsgeld zufriedengeben. Volksvertreter werden auch in Berlin deutlich kürzer gehalten. Wer aus dem Parlament ausscheidet, bekommt pro Jahr der Mitgliedschaft einen Monat Übergangsgeld, höchstens aber eineinhalb Jahre. Wer dem Abgeordnetenhaus weniger als ein Jahr angehört hat, geht leer aus. Einkommen und Versorgungsbezüge aus öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnissen werden voll angerechnet.

Was meinen Sie? Soll das Übergangsgeld für Senatoren abgeschafft werden? Rufen Sie am Montag zwischen 8 und 23 Uhr an. Sind Sie dafür, wählen Sie 0137-20 33 33 - 1. Sind Sie dagegen, wählen Sie 0137-20 33 33 - 2 (14 Cent pro Anruf). Das Ergebnis veröffentlichen wir am Mittwoch.

PRO

Es ist schon merkwürdig: Ausgerechnet das arme Berlin gönnt sich den Luxus, seine Senatoren mit einem bequemen Übergangsgeld auszustatten, das an keine Mindestamtszeit gebunden ist. Schwer zu sagen, wie diese Regelung vor Jahren zustande kam. Vielleicht hatten die Gesetzgeber einen Freiberufler vor Augen, der nach zwei- oder dreijähriger Amtszeit etliche Monate brauchen würde, um in seinen Beruf zurückzufinden. Vielleicht trieb sie der Gedanke, dass niemand gezwungen sein sollte, von einem Tag auf den anderen das Senatorenbüro mit dem Wartebereich des Jobcenters zu tauschen. Offenbar konnten sich die Gesetzgeber einfach nicht vorstellen, dass jemand nach nur Wochen oder sogar Tagen Amtszeit diese gut gemeinte Regelung (miss)brauchen könnte. Dieser Mangel an Vorstellungskraft – und Menschenkenntnis – wird nun bestraft. Der Steuerzahler muss mal eben für 50 000 Euro plus Zinsen zusätzlich aufkommen, und die Politikerverdrossenheit bekommt er noch kostenlos dazu. Wie sagte Braun doch so schön: „Wenn wir bei der Beurteilung von rechtlichen Regelungen das Kriterium ‚moralisch’ einführen, kommen wir in eine ganz schwierige Situation.“ Ein fürwahr schönes Bonmot, das offenbar nicht nur auf die Beurkundung von Schrottimmobilienverkäufen anwendbar ist, sondern auch auf Selbstbedienungsmechanismen, wie es sie zwar überall auf der Welt gibt. Aber nicht überall werden sie durch so unsinnige Gesetze legitimiert. Susanne Vieth-Entus

CONTRA

Die Forderung ist wohlfeil: Wer jetzt danach ruft, die Regelung des Übergangsgeldes für scheidende Politiker abzuschaffen, surft auf der aktuellen Welle der Empörung, die durch die Verwicklung des vorübergehenden Justiz- und Verbraucherschutzsenators Michael Braun in umstrittene Immobiliengeschäfte erzeugt wurde. Die Kritik an Brauns Verhalten ist zwar durchaus berechtigt. Das macht die Forderung nach einer Abschaffung des Übergangsgeldes jedoch nicht richtiger. Denn egal was man von Brauns Verhalten hält – solange er nicht nachweislich illegal gehandelt oder vorsätzlich sein Amt missbraucht hat, steht es ihm wie jedem anderen Politiker zu, für seinen Einsatz entsprechend entlohnt zu werden. Auch wenn der nur insgesamt elf Tage dauerte. Das war ja von Braun nach Lage der Dinge nicht so geplant. Sondern er hatte sich, wie jedes andere Senatsmitglied, auf einen längeren Einsatz im Kabinett vorbereitet und dafür bestehende berufliche Verpflichtungen als Anwalt und Notar ruhen lassen. Im Gegenzug garantiert ihm das Senatorengesetz zumindest eine beschränkte materielle Sicherheit auch über das Ende seiner Amtszeit hinaus. Das mag im Einzelfall empören. Aber wer jetzt fordert, die im Vergleich mit der freien Wirtschaft ohnehin schon wenig üppige Bezahlung für Politiker noch weiter zu beschränken, muss sich nicht wundern, wenn es künftig noch schwieriger wird, qualifiziertes Spitzenpersonal zu finden. Lars von Törne

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