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Berlin: Üppige Sozialhilfe: Der spendable Herr vom Sozialamt

Während Sozialhilfeempfänger nicht selten mit Gutscheinen für bezirkseigene Gebrauchtwarenlager abgefertigt werden, wenn sie Einrichtungsgegenstände benötigen, zahlte Sachbearbeiter Ralf H. Hilfesuchenden großzügig mehrere tausend Mark für Neuanschaffungen aus.

Während Sozialhilfeempfänger nicht selten mit Gutscheinen für bezirkseigene Gebrauchtwarenlager abgefertigt werden, wenn sie Einrichtungsgegenstände benötigen, zahlte Sachbearbeiter Ralf H. Hilfesuchenden großzügig mehrere tausend Mark für Neuanschaffungen aus. Weil er das über Jahre hinweg immer wieder tat, ohne die Bedürftigkeit seiner Klienten zu überprüfen, verurteilte das Landgericht den 38-Jährigen am Donnerstag zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren auf Bewährung.

Angeklagt war Ralf H. wegen Untreue in 117 Fällen. Zwischen August 1991 und Mai 1996 hatte er als Sachbearbeiter des Sozialamts Charlottenburg die Auszahlung von insgesamt 244 945 Mark veranlasst. Nutznießer waren eine 74-jährige Rentnerin, die mittlerweile in der Türkei lebt, sowie ein polizeibekannter Straftäter. Staatsanwalt Nicolas Sippel musste beim Verlesen der Anklage ganz tief Luft holen, um all die "angeblich einmaligen Beihilfen" zwischen 150 und 6000 Mark vorzulesen, die H. unrechtmäßig veranlasst hat.

Die Frage, ob Ralf H. sich selbst bereicherte, indem er sich einen Teil des zu viel gezahlten Geldes von den beiden Hilfeempfängern erstatten ließ, spielte im Verfahren keine Rolle, da ihm eine persönliche Bereicherung nicht nachzuweisen war. "Für den Tatvorwurf der Untreue ist es ohnehin belanglos, ob die Untreue aus Gründen der persönlichen Bereicherung oder aus Nachlässigkeit begangen wurde", erklärte der Staatsanwalt am Rande der Verhandlung.

Der ehemalige Sachbearbeiter ließ durch seinen Verteidiger eine knappe Erklärung verlesen, in der er alle ihm zur Last gelegten Fälle von Untreue pauschal zugab. "Ich war einfach überlastet. Ich musste damals täglich 120 bis 150 Antragsteller abfertigen, da habe ich nicht mehr sorgfältig genug geprüft", erklärte Ralf H. auf Nachfragen der Richterin. Dass ihm dabei entgangen sein soll, dass er an einzelnen Tagen an die gleiche Klientin mehrfach hohe Summen auszahlen ließ, ist schwer nachvollziehbar. Geradezu unbegreiflich ist jedoch, dass in den Sozialämtern ein derartiger Missbrauch von Steuergeldern ungeprüft geschehen kann.

Durch einen Zufall war die Zahlungsfreude des Ralf H. aufgefallen: Eine Kollegin im Charlottenburger Amt beanstandete eine Sozialhilfeempfängerin, die seit Jahren in einem anderen Bezirk wohnte. Bei der Überprüfung, stellte sich heraus, dass Ralf H. der Frau trotzdem weiterhin Sozialhilfe auszahlen ließ.

Da alle Fakten so klar auf dem Tisch lagen, brauchte die Kammer nicht lange, um zu einem Urteil zu kommen. Sie folgte mit dem Strafmaß von zwei Jahren auf Bewährung dem Antrag des Staatsanwaltes, der in seinem Plädoyer die Bemühungen des Angeklagten gewürdigt hatte, den entstandenen Schaden wieder gut zu machen. Mittlerweile gibt es nach Mitteilung des Verteidigers von Ralf H. eine Vereinbarung zwischen dem Bezirksamt und seinem Mandanten, nach der er den Schaden im monatlichen Raten von 600 Mark abbezahlen will.

Die Kammer legte diese Wiedergutmachung im Urteil fest und machte Ralf H. zur Auflage, die Zahlungen vierteljährlich nachzuweisen. Abschließend sagte die Richterin, dass Ralf H. ausreichend damit gestraft sei, für Jahre und Jahrzehnte am Rande des Existenzminimums leben zu müssen.

Peter Murakami

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