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Ohne Worte: Film-Kurator Friedemann Beyer und Komponist Florian C. Reithner vor der Bertelsmann-Repräsentanz Unter den Linden. Beide wirken an den Ufa-Filmnächten mit, die am Donnerstag beginnen.

© Mike Wolff

Ufa-Filmnächte in Berlin: Der Klang der Stille unter freiem Himmel

Stummfilm ist en vogue. Ab Donnerstag sind einige Schätze bei den Ufa-Filmnächten auf der Museumsinsel zu sehen, teils mit aufwendiger Begleitung. Den Auftakt macht ein Streifen von Friedrich Murnau.

„Die Geschichte ist durchaus etwas mysteriös“, sagt der Filmhistoriker Friedemann Beyer – und beginnt zu erzählen: Ein Fluch schien auf dem Regisseur Friedrich Murnau zu liegen, seit er 1929 auf Tahiti den Film „Tabu“ gedreht hatte. Ausgerechnet in der Nähe eines tahitianischen Gräberfeldes ließ er sich ein Haus bauen.

Kurz darauf wurde bei den Dreharbeiten sein Mitarbeiter durch eine Magnesiumfackel, mit der man das Set damals beleuchtete, schwer verletzt. „Für die Einheimischen war das der Fluch der Toten“, sagt der Murnau-Experte Beyer.

Genau eine Woche vor der Premiere des Films starb Murnau dann bei einem Autounfall in den USA. Und nun, 84 Jahre später, stahlen Unbekannte den Kopf des Regisseurs aus seiner Stahnsdorfer Ruhestätte. „Hoffen wir, dass der Fluch sich nicht am Donnerstag fortsetzt“, sagt Beyer und lacht.

Mit Murnaus Liebesdrama „Tabu“ werden die Ufa-Filmnächte am morgigen Donnerstag unter freiem Himmel starten. Die Musik dazu hat der junge Wiener Florian C. Reithner komponiert. Bei einem Treffen in der Repräsentanz des Unternehmens Bertelsmann, zu dem die Ufa seit 50 Jahren gehört, kommt Reithner etwas später dazu. Derweil weiß Beyer, der die Ufa-Filmnächte kuratiert, immer neue Fakten über den Regisseur Murnau zu berichten. Zum Beispiel auch, dass dieser seinen Geburtsnamen ablegte, und sich nach der bayerischen Stadt Murnau umbenannte. „,Plumpe‘ ist schließlich kein klangvoller Name.“

Weltbekannter Stummfilmpianist begleitet "Ihr dunkler Punkt"

Stummfilm ist heute wieder en vogue. Das Berliner Stadtleben feiert den lange vergessenen Stummfilm regelmäßig bei Stummfilmfestivals. Das liegt nicht zuletzt an der Musik, die das Leinwandgeschehen untermalt. Während Reithners Komposition am Donnerstag seine Uraufführung erlebt, werden die Filme am Freitag und Samstag mit Live-Improvisationen untermalt: Der weltbekannte Stummfilmpianist Neil Brand begleitet den Film „Ihr dunkler Punkt“ am Piano und die deutsche Gruppe Trioglyzerin untermalt mit klassischen und orientalischen Instrumenten den Scherenschnittfilm „Die Abenteuer des Prinzen Achmed“.

Für den Film „Tabu“ hat sich Murnau ursprüngliche polynesische Folklore gewünscht, aber „nur den üblichen Hollywood Score“ bekommen. Reithner hat sich daher auf die Suche nach traditioneller polynesischer Musik gemacht. Das Problem: Seit der Missionierung der Polynesier Mitte des 17. Jahrhunderts ging die traditionelle Musik verloren. Wie die Musik mit Muscheltrompeten und Schlitztrommeln damals klang, musste Reithner also recht frei rekonstruieren. Sein Orchester für die Uraufführung seiner Komposition hat er bei Facebook zusammengestellt. An eine Gruppe für Musiker schrieb er, wer Lust habe bei den Filmnächten mitzuspielen. Über 300 Nachrichten gingen bei ihm ein. „Das war quasi Crowdcasting“, erklärt Beyer.

In der Glanzzeit des Stummfilms, in den 20er und 30er Jahren, war die Ufa synonym mit der deutschen Filmindustrie. „Die Filme dieser Zeit haben den Weltruf deutscher Filmkunst begründet“, sagt Beyer. Wie sehr die Geschichte der Ufa auch mit Berlin verbunden ist, zeigt Lotte Reinigers Film „Die Abenteuer des Prinzen Achmed“ am Samstagabend. 1899 in der Charlottenburger Knesebeckstraße geboren, besuchte Reiniger später eine Berliner Reformschule. Dort erlernte sie die Technik des Scherenschnitts. Aus 100.000 Einzelbildern stellte sie den ersten Animationsfilm der Geschichte zusammen – zehn Jahre vor Walt Disneys „Schneewittchen“. Seine Premiere feierte der Film an der Volksbühne.

Joachim Król, Natalia Wörner und Tom Wlaschiha führen in Filme ein

Traditionell führen Schauspieler in die Filmnächte ein. Wie schon in den letzten Jahren ist Joachim Król, selbst großer Stummfilmfan, wieder dabei, außerdem Natalia Wörner und Tom Wlaschiha. Aufgeregt ist Reithner aber nicht: „Schade, dass noch nicht Donnerstag ist.“

Ufa-Filmnächte, 20.8.-22.8., 21 Uhr, Museumsinsel/Kolonnadenhof, Bodestraße 1-3, Mitte – zum Teil ausverkauft

Jana Scholz

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