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Berlin: Um 21.48 Uhr war Berlin wieder Hauptstadt

Am 20. Juni vor 15 Jahren läutete die Freiheitsglocke, als der Bundestag seinen Umzug beschlossen hatte

Es ist ein bisschen wie früher, als Bonn noch Hauptstadt war: Ritualhaft bekannten sich damals Politiker aller Parteien am 17. Juni oder am 13. August zur deutschen Einheit und zur Hauptstadt Berlin. Seit Berlin Hauptstadt ist und Bonn noch immer Sitz vieler Bundesbeamter und einiger Ministerien, kommt ritualhaft zum 20. Juni die Forderung, den Parlaments- und Regierungsumzug zu vollenden. Zum 20. Juni 2006 und also zum 15. Jahrestag des Umzugsbeschlusses forderte die Grünen-Fraktionschefin im Bundestag Renate Künast die Vollendung der Regierungsverlegung. Die Arbeitsteilung zwischen Berlin und Bonn sei teuer und zeitaufwändig, sagte sie der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“.

Der CDU-Bundestagsabgeordnete Karl-Georg Wellmann, nicht unbedingt ein Grünen-Freund, stimmt zu. „Frau Künast hat Recht“, sagt er. Doch er rechnet nicht damit, dass sich in der Umzugsdebatte demnächst etwas tut. In der CDU- Fraktion dominiert die Landesgruppe der nordrhein-westfälischen Abgeordneten, „und die wird sich kaum erwärmen“ für neue Umzugsüberlegungen, sagt Wellmann.

Dass die Forderung nach einem Komplett-Umzug überhaupt diskutiert wird, zeigt aber, was sich in den 15 Jahren getan hat. 1991 rechnete nämlich kaum jemand damit, dass Bonn im Städteduell um den Sitz des Bundestages und den Kanzlerschreibtisch verlieren würde. Das Land war gespalten zwischen Bonn-Befürwortern, die mit Berlin schlechte historische Erfahrungen verbanden, und Berlin-Befürwortern. Diese versprachen, wer dort regiere, mache eine Politik, die geprägt sei von einer größeren Nähe zu den Menschen und der direkten Erfahrung der Schwierigkeiten beim Zusammenwachsen nach der Teilung. Die Berliner selbst waren vorsichtig mit ihren Forderungen. Es sei richtig gewesen, nicht aufs Ganze zu gehen, meint Volker Kähne, Diepgens ehemaliger Chef der Senatskanzlei. Aufs Ganze sei Wolfgang Clement (SPD) – damals als Minister für besondere Aufgaben Strippenzieher für die nordrhein-westfälische Landesregierung – gegangen und habe manchen Abgeordneten verärgert.

Heute gibt es Ministerpräsidenten, die sagen, das „Raumschiff Bonn“ sei nicht so abgeschirmt gewesen wie heute das Regierungsviertel in Berlin. Sei’s drum, am 20. Juni 1991 um 21.48 Uhr war ungläubige Freude das vorherrschende Gefühl in Berlin. Gespannt hatten das politische Berlin und interessierte Bürger die Bundestagsdebatte verfolgt – 337 Abgeordnete stimmten für den Umzug von Parlament und Regierung nach Berlin, 320 wollten beides in Bonn belassen. Der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) hielt in Bonn die Stellung. Im Schöneberger Rathaus wischte sich CDU-Fraktionschef Klaus Landowsky die Augen. Kurz vor der Abstimmung hatte Arbeitssenatorin Christine Bergmann (SPD) noch gesagt: „Auch wenn die Entscheidung gegen Berlin ausfällt, werden wir uns zu einer starken wirtschaftlichen Metropole entwickeln.“ wvb.

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