zum Hauptinhalt
Zeit für Kinder. Vorleserin, Betreuerin – und bald auch Lebensmittelunternehmerin. Tagesmütter sollen ab Januar strenge Hygieneauflagen erfüllen. Das Bundesministerium für Verbraucherschutz hat es den Bundesländern empfohlen. Berlin will sich daran halten. Foto: dpa

© picture-alliance/ dpa

Berlin: Um den heißen Brei

Strenge Regeln für Tagesmütter: Die EU will sie nicht angeordnet haben.

Diesmal waren die deutschen Bürokraten offenbar eifriger als die berüchtigten Brüsseler Kollegen. Ab Januar 2012 sollen Tagesmütter wie „Lebensmittelunternehmerinnen“ agieren. Von der Wareneingangskontrolle über Kühlschranktemperaturmessungen, strengen Desinfektionsvorschriften sollen für Berlins Tagesmütter, die Gruppen von drei bis zehn Kinder betreuen, künftig dieselben Regeln gelten wie für Großküchen. Ab dem nächsten Jahr könnte es dann wie in einem Imbiss Kontrollen durch die Lebensmittelaufsichtsämter geben. Viele Tagesmütter sind verunsichert, und bei der Frage, wer sich das hat einfallen lassen, lenken Berliner Beamte den Blick nach Brüssel. Aus einem Schreiben der Bezirksämter erfuhren die Tagesmütter, sie seien „nach der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 (Artikel 3 Nr. 3) Lebensmittelunternehmer“.

Die Europäische Kommission ist darüber wenig erfreut: „Wir betrachten Tagesmütter selbstverständlich nicht als Lebensmittelunternehmen“, sagte der Kommissionssprecher in Deutschland, Carsten Lietz, dem Tagesspiegel. „Und damit fallen sie nach unserer Auffassung auch nicht unter die Anforderungen der Lebensmittelhygiene-Verordnung.“ Die Kommission habe schon in ihrem Auslegungsleitfaden von Februar 2009 deutlich gemacht, dass nicht als Lebensmittelunternehmen angesehen werden kann, „wer gelegentlich und im kleinen Rahmen Lebensmittel handhabt, zubereitet, lagert oder Speisen zubereitet“.

Keine Spur davon im Brief des Bundesministeriums für Ernährung und Verbraucherschutz, der im März 2009 an die Bundesländer verschickt wurde. Die Länder wollten wissen, wie mit Tagesmüttern zu verfahren sei. Sie seien Lebensmittelunternehmerinnen und die EU-Vorschriften auch für Privatwohnungen bindend, heißt es im Schreiben. „Wir wundern uns“, sagte ein Sprecher des Ministeriums zur Kritik der EU. Es sei doch sinnvoll, den Tagespflegern darzulegen, dass auch sie eine „Hygieneverantwortung“ hätten. Es gehe immerhin um Kleinkinder. „Wir bleiben bei unserer Rechtsauffassung: Tagesmütter sind Lebensmittelunternehmer.“ Zudem sei der Ermessensspielraum groß; die Bundesländer seien nicht an die Auslegung des Ministeriums gebunden.

Berlin bleibt dennoch bei seiner Linie. „Solange es keine Änderung vonseiten des Bundesministeriums gibt, halten wir daran fest, dass die Regelungen auf die Menschen, die in der Tagespflege arbeiten, anzuwenden sind“, sagt Regina Kneiding, Sprecherin der Gesundheitsverwaltung. In diesem Punkt sei man sich mit der ebenfalls beteiligten Bildungsverwaltung einig. „Wir gehen mit dem Thema moderat um“, sagt deren Sprecherin Beate Stoffers. Die Hygiene müsse im Blick sein, es dürften den Tagesmüttern aber keine Hindernisse in den Weg gelegt werden. Wie streng die Überwachung der Tagesmütter ab Januar umgesetzt wird, liegt im Ermessenspielraum der Bezirke – und beim Personal, das für mögliche Kontrollen abgestellt wird. Markus Langenstrass

Zur Startseite