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Das Loch des Anstoßes: Die Architekten und das Erzbistum wollen den historischen Durchbruch schließen, die Freunde der St. Hedwigs-Kathedrale wollen es erhalten.

© Thilo Rückeis

Umbau der St. Hedwigs-Kathedrale: In Berlin tun sich Abgründe auf

Erzbistum, Freundeskreis und Architekten haben eigene Vorstellung von der Gestaltung des Altarraums. Eine Kostenschätzung bleibt aus.

Durch den Umbau werde St. Hedwig repräsentativer und einladender – eine „Kathedrale für eine Weltstadt des 21. Jahrhunderts“. Davon sind die Befürworter der Neugestaltung des zentralen katholischen Gotteshauses überzeugt. Für die „Freunde der St. Hedwigs-Kathedrale“ hingegen ist das, was geplant wird, „der Anfang vom Ende“. Denkmalschützer und Kunsthistoriker warnen vor der „Teilzerstörung eines herausragenden Denkmals der deutsch-deutschen Nachkriegsgeschichte“. Der Streit eskaliert, die Fronten zwischen Befürwortern und Gegnern des Umbaus sind so verhärtet, dass ein Kompromiss kaum möglich erscheint.

Gestritten wird vor allem um die monumentale Bodenöffnung im Innenraum der Kathedrale. Der Architekt Hans Schwippert öffnete 1955 den Boden, um eine Verbindung von Unter- und Oberkirche zu schaffen, von den in der Krypta bestatteten NS-Opfern, allen voran der 1943 ermordete Dompropst Bernhard Lichtenberg, zum Zentralraum oben. So verzahnte er Vergangenheit und Gegenwart. Für die „Freunde der St. Hedwigs-Kathedrale“, für Denkmalschützer und Kunsthistoriker ist Schwipperts Gestaltung „genial“ und muss bewahrt werden. Als Schwippert vor 60 Jahren seine Vision umsetzte, waren die damaligen Denkmalschützer allerdings auch dagegen.

Architektur ringt mit Liturgie

Die Sieger des Architektenwettbewerbs 2014, die Architekten Sichau & Walter aus Fulda, wollen die Öffnung schließen und den Altar in die Mitte der Rotunde rücken. Die Besucher sollen auf Stühlen in konzentrischen Kreisen um den Altar herum sitzen – sehr zur Freude derjenigen, für die die Öffnung ein hässliches „Loch“ ist, das den Kirchenraum zweiteile. Auch Kardinal Rainer Maria Woelki, von 2011 bis 2014 Berliner Erzbischof, machte keinen Hehl aus seiner Abneigung. Der Innenraum der Kathedrale entspreche nicht den liturgischen Anforderungen, argumentierte er bei der Auslobung des Architektenwettbewerbs. Man könne den Altar nicht umschreiten.

„Man kann in diesem Raum ohne Weiteres Gottesdienst feiern“, sagt der Bonner Liturgiewissenschaftler Albert Gerhards. „Es gibt kein zwingendes Argument für die Umgestaltung.“ Den Ritus des Umschreitens hält er für „sekundär“. Auch in vielen römischen Kirchen könne man den Altar nicht umrunden. Aber natürlich habe die Kirche „das Recht, ihre Räumlichkeiten den Gegebenheiten der Zeit anzupassen“. Gerhards hat das Erzbistum zu Beginn des Architekturwettbewerbs beraten. Nachdem er sich dafür ausgesprochen hatte, „Schwippert eine Chance“ zu geben, sei es mit seiner Beratertätigkeit zu Ende gewesen, schreibt er jetzt in der „Herder Korrespondenz“.

Die „Freunde der St. Hedwigs-Kathedrale“ verweisen gerne auf ihn als Kronzeugen gegen den Umbau. Doch Gerhards will sich nicht vereinnahmen lassen. Er hält den Siegerentwurf von Sichau & Walter in ästhetischer Hinsicht für „durchaus überzeugend“. Er bewege sich „auf der Linie spektakulärer Raumordnungen der jüngeren Zeit, die auf Reduktion, Konzentration und Lichtarchitektur setzen“.

Doch liturgisch bringe der Entwurf „große Herausforderungen“ mit sich, schreibt Gerhards. Die Konzentration auf den Altar in der Mitte sei „problematisch“. Dem Raum fehle die Orientierung. Es gebe weder eine gemeinsame Ausrichtung von Priester und Gemeinde, noch ein Gegenüber. Das mache es für den Priester schwer, seine Rolle im Verhältnis zur Gemeinde zu definieren.

Rotunde als "sich selbst wärmender Ofen"

Pfarrer Armin Kögler, Mitglied in der Liturgiekommission des Erzbistums, erinnert die geplante Rotunde mit dem Altar in der Mitte an eine Vorstellung von Gemeinde als „sich selbst wärmender Ofen“. „Ist es unser Auftrag, den wir von Gott bekommen haben, dass wir uns selbst genügen?“, fragte Kögler bei einer Tagung. Der künstlerische Leiter des geplanten Umbaus, Leo Zogmayer, fegte diesen Einwand beiseite: Mit dieser Einstellung brauche Kögler sich nicht zu bewerben, „um hier mal Erzbischof zu werden“. „Wo zwei oder drei im Namen der Liebe versammelt sind, bin ich inmitten von euch“, habe Jesus gesagt. Die geplante Raumkonzeption löse das ein. Ein Theologe, der dem nicht folgen wolle, werde diesen Raum nicht nutzen können.

Die Pläne von Sichau & Walter sehen auch ein Kellergeschoss vor. Hier soll die Sakristei untergebracht werden. Die „Freunde der St. Hedwigs-Kathedrale“ fürchten eine „Katastrophe“, wenn man in den rutschigen Untergrund geht, und verweisen auf die schwierige Sanierung der Staatsoper nebenan. Die Bistumsleitung hat mehrere Untersuchungen in Auftrag gegeben, auch ein Bodengutachten inklusive Probebohrungen. Von den Ergebnissen hängt wesentlich die Kostenschätzung für den Umbau ab.

Eine Kostenexplosion wie bei der Staatsoper kann sich das Erzbistum nicht leisten. Momentan sprudeln zwar die Kirchensteuereinnahmen aufgrund der guten Konjunktur. Doch ab 2017 sehen Prognosen große Einbrüche voraus, aus demografischen Gründen. Um den Gegnern des Umbaus das Argument zu nehmen, für einen Prestigebau gebe das Bistum Geld aus, während die Gemeinden darbten, genehmigte der Diözesanvermögensverwaltungsrat Anfang 2015 pro Gemeinde eine Sonderzulage von 10.000 Euro.

Bislang keine belastbare Kostenschätzung

2014 machte das Gerücht die Runde, der Umbau werde 40 Millionen Euro kosten. Bistumssprecher Stefan Förner kommentiert das nicht. Erst wenn detaillierte Kostenschätzungen vorliegen, will man mit Zahlen an die Öffentlichkeit gehen - und dann auch Schätzungen vorlegen, was eine Sanierung ohne Umbau kosten würde. Auch eine Grundsanierung werde nicht billig sein, sagt Förner. Es gebe Schimmel im Keller, auch Elektrik, Heizung, Beleuchtung müssten neu gemacht werden. Allein für die Kuppeln werde ein siebenstelliger Betrag benötigt. Für alles weitere müsse man warten, bis alle Voruntersuchungen abgeschlossen sind. Vor der Amtseinführung des neuen Erzbischofs Heiner Koch am 19. September sei damit nicht zu rechnen.

Mittlerweile signalisierten die Bischofskonferenz und der Bund ihre Unterstützung für die geplante Neugestaltung. „Ich bin für den Umbau von St. Hedwig“, bekannte Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) kürzlich. Im Mai haben sich die „Freunde der St. Hedwigs-Kathedrale“ mit einer Petition an den Bundestag gewandt und bitten um die „Rücknahme eines in Aussicht gestellten finanziellen Zuschusses“. Sie wollen erfahren haben, dass bereits ein „zweistelliger Millionenbetrag“ in den Bundeshaushalt eingestellt sei. Eine solche Unterstützung sei eine „enorme Parteinahme, mit der der Bundestag seine Verpflichtung zur Unabhängigkeit verletzen würde“, heißt es in der Petition. Bislang bestätigte der Bundestag lediglich deren Eingang.

„Wenn die detaillierte Kostenschätzung ergibt, dass es zu teuer wird, geht es nicht“, heißt es im Diözesanvermögensverwaltungsrat. „Einen Bau so zu erneuern, dass er die Gemeinschaft zerstört, hat keinen Sinn“, sagt Bischof Heiner Koch. „Dann wird die Renovierung ein Fiasko.“ Fest steht für ihn aber auch: „Ich werde nicht noch einmal alles von vorne aufrollen.“

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