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Roter Teppich. Die Ehrung für Klaus Kinski auf dem Mittelstreifen der Potsdamer Straße in Tiergarten stößt nach den Vorwürfen, die seine Tochter gegen ihn erhebt, einigen übel auf.

© Kai-Uwe Heinrich

Umstrittene Ehrung: Kinskis Stern ist noch nicht gesunken

Die Ehrung Klaus Kinskis auf dem Boulevard der Stars bleibt bis auf Weiteres erhalten - trotz der Missbrauchsvorwürfe seiner Tochter. Doch der Berliner Kulturverein mit dem Namen des Schauspielers ringt mit sich.

Man kann ihn zur Hölle wünschen oder finden, dass er im Künstlerhimmel gut aufgehoben ist. Der Stern von Klaus Kinski wird jedenfalls weiterhin den Boulevard der Stars zieren. Die Debatte über die Ehrung bewegt die Gemüter, seit seine Tochter Pola in ihrer kürzlich erschienenen Biografie „Kindermund“ Vergewaltigungsvorwürfe erhoben hat. Die fünfköpfige Jury des Boulevard der Stars will aber erst bei ihrer regulären Sitzung im April über Kinskis Stern erneut diskutieren.

In einer Stellungnahme der Juroren Gero Gandert, Alfred Holighaus, Uwe Kammann, Dieter Kosslick und Hans Helmut Prinzler heißt es: „Als Jury sehen wir unsere Aufgabe darin, herausragende Leistungen von Frauen und Männern zu bewerten und auszuzeichnen, die dem deutschsprachigen Film- und Fernsehschaffendem wichtige Impulse gegeben haben. Die Beurteilung der menschlichen Qualitäten der Protagonisten auf dem Boulevard der Stars muss anderen Instanzen vorbehalten bleiben. Die Jury ist sich der Verantwortung ihrer Entscheidungen, aber auch der Grenzen ihrer Urteilsmöglichkeiten bewusst.“

Auf Anfrage des Tagesspiegels sagt Georgia Tornow, Geschäftsführerin der Boulevard-der-Stars-GmbH: „Seither gibt es keinen neuen Stand vonseiten der Jury.“ Das Gerücht, zur Sitzung im April auch Pola Kinski einzuladen, weist sie entschieden zurück: „Niemand ist auf die Idee gekommen, von Frau Kinski zusätzliche Aussagen zu verlangen. Eine Jury ist kein Untersuchungsausschuss – bei uns gibt es keine Vorladungen.“

Auch anderenorts ist die Diskussion über den Schauspieler noch nicht beendet. Seit 2001 betreibt Filmemacher Peter Domsch, 40, mit Freunden den Kulturverein „Kinski“. In der Friedelstraße in Neukölln haben sie eine Bar mit großer Fensterfront. In der Tür hängt ein Plakat mit Kinskis Bild. Jemand hat mit Klebeband einen Balken über die Augen des Schauspielers geklebt. „Das war da schon vorher“, sagt Domsch und meint die Zeit vor den Vergewaltigungsvorwürfen.

Als Domsch zum ersten Mal davon hörte, sei er erschüttert und sprachlos gewesen. Ein Idol sei Kinski nie für ihn gewesen, sagt Domsch. Dennoch ist die Bar des Kulturvereins nach dem Exzentriker benannt – was einige Gäste schon zu Imitationen verführte. Der Kulturverein steht nun vor der Frage: Darf man einen Künstler unabhängig von seinen persönlichen Vergehen ehren?

"Moralisch denken ist unkünstlerisch"

Schon vor zwölf Jahren diskutierte die Gruppe junger Filmschaffender darüber, ob sie Kinski als Namenspatron überhaupt will. „Keiner von uns hat gesagt: Das ist so ein toller Typ, so will ich auch sein“, sagt Domsch. Der Verein sollte eine Plattform für den Austausch von Filmschaffenden werden. „Auseinandersetzung und Andersartigkeit sind uns ganz wichtig. Uns geht es in der Kunst auch um Radikalität“, sagt Domsch. Deshalb sei die Wahl auf Kinski gefallen.

Der Mitgliedsausweis im Kulturverein Kinski kostet einen Euro. Zu den regelmäßigen Gästen gehören Berliner Piraten, die sich jeden Dienstag in der Bar treffen. Kürzlich rief die Twitter-Größe Alf Frommer über den Kurznachrichtendienst zum Boykott auf: „Ich fände einen Kinski-Boykott mehr als angebracht, liebe Piraten.“ Heide Hagen ist seit vielen Jahren Piratenmitglied und organisiert seit 2010 die Treffen im Kinski. Sie sagt: „Die Piraten diskutieren viel über den Namen. Letztlich ist das aber die Sache des Kulturvereins, wir können die Änderung höchstens anregen.“ Einen Boykott hält sie für übertrieben, auch wenn der Name bleibt.

Auch die Kreuzberger Videothek „Filmkunstbar Fitzcarraldo“ erinnert zumindest indirekt an Kinski. Den Fitzcarraldo spielte Kinski in einem seiner Filme mit Regisseur Werner Herzog. In der Filmkunstbar denkt man gar nicht daran, den Namen jetzt zu ändern. „Ich renne doch nicht Werner Herzogs Filmografie um, nur wegen seines Hauptdarstellers“, sagt Inhaber Martin Schuffenhauer. Er findet, eine Namensänderung sei auch im Fall des Kulturvereins unnötig, schließlich geht es um Kunst. „Moralisch denken ist völlig unkünstlerisch. Wenn man das tut, kommt dabei so etwas heraus wie die deutsche Filmindustrie.“

Im Kulturverein Kinski ist eine endgültige Entscheidung noch nicht gefallen. Man könne die Bar auch nach der Tochter nennen, „Pola“, sagt Domsch. Oder etwas verfremdet „KNSK“, oder nur „K“. Ob der Name bleibt oder nicht, „wir wollen auf jeden Fall die Auseinandersetzung mit dem Thema, mit Diskussionsrunden oder einer Ausstellung“, sagt Domsch. Außerdem plant er, Pola Kinskis Buch für die Gäste in der Bar auszulegen.

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