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Berlin: Umstrittene Vorruhestands-Regelung läuft Ende des Jahres aus

Genau 519 Berliner Beamte sind in den letzten Jahren in einen bezahlten Sonderurlaub entschwunden, der ausschließlich den Zweck hat, die Zahl der Staatsdiener zu verringern. Die vom Verwaltungsgericht für rechtswidrig erklärte Regelung laufe Ende des Jahres aber definitiv aus, erklärte Innensenator Eckart Werthebach gestern.

Genau 519 Berliner Beamte sind in den letzten Jahren in einen bezahlten Sonderurlaub entschwunden, der ausschließlich den Zweck hat, die Zahl der Staatsdiener zu verringern. Die vom Verwaltungsgericht für rechtswidrig erklärte Regelung laufe Ende des Jahres aber definitiv aus, erklärte Innensenator Eckart Werthebach gestern. Er rechtfertigte sie dem Tagesspiegel gegenüber mit den jährlichen Einsparungen von jährlich 9,1 Millionen DM im Landesetat.

Rechnerisch 4000 über 55-jährige Staatsdiener hatten vor drei Jahren die Möglichkeit erhalten, sich vorzeitig mit 75 Prozent ihrer Bezüge in den Ruhestand zu verabschieden. Das Beamtenrecht gibt dafür keinen Begriff her, man könnte ihn nur erfinden: Pensionierungsurlaub vielleicht. Der Senat hatte sich nämlich, um Personal abbauen zu können, eines juristischen Tricks bedient und nach der Sonderurlaubs-Verordnung des Landes gegriffen. Der Vorruhestand heißt also "Sonderurlaub mit gekürzten Bezügen". Das dafür notwendige "dienstliche Interesse" wird fiskalisch begründet. Die entsprechende Beamtenstelle wird gestrichen, und für den Haushalt fällt sogar eine kleine Einsparung in Geld an: Die Behörde zahlt statt 100 Prozent nur noch 75 Prozent des Gehalts für den dauerurlaubenden Staatsdiener. Einige Bundesländer haben das Modell inzwischen kopiert.

Wie dramatisch die Sparauflagen des Senats in den letzten beiden Legislaturperioden waren, zeigt sich schon an den nackten Zahlen. Rund 45 000 Stellen im Berliner Landesdienst mussten abgebaut werden. Schon 1994 versuchte der Senat deshalb nach dem Vorbild von Zoll, Bundeswehr oder der Bahn, mit einer Bundesratsinitiative eine offizielle Vorruhestandsregelung für Landesbeamte einzuführen. Der Berliner Vorstoß endete aber kläglich und unter Protestgeschrei. Nicht nur der Bundesinnenminister lehnte ab, auch beim Beamtenbund und im Bundestag gab es nur Widerspruch. Der SPD-Bundestagsabgeordnete Klaus Lennartz fühlte sich damals an den "goldenen Handschlag" erinnert, mit dem die Bundeswehr sich überzähliger Kräfte entledigt hat.

Werthebach, damals Staatssekretär im Bundesinnenministerium, stand vor einer kuriosen Situation, als er als Innensenator nach Berlin kam. Er hatte plötzlich eine Regelung zu praktizieren, die er zuvor gerade am Beispiel Niedersachsen als rechtlich bedenklich abgelehnt hatte. Der Innensenator, deshalb jetzt vom "Spiegel" kritisiert, ließ sich aber von den Berlinern eines anderen belehren. Er habe erst Bedenken geäußert, aber "ich habe nicht eingegriffen, sondern es dann gebilligt", sagte er gestern.

Die eigentliche Nagelprobe stand schließlich, wie berichtet, im Mai dieses Jahres vor dem Berliner Verwaltungsgericht an. Ein Regierungsdirektor und ein Studiendirektor hatten geklagt, um ebenfalls in den Genuss des juristisch getarnten Vorruhestands zu kommen. Das Gericht lehnte ab und erklärte auch gleich noch die ganze Regelung für rechtswidrig. Das Gesetz sehe eben gerade keinen bezahlten Sonderurlaub vor. Im Juni ließ sich Werthebach zur Überraschung des Hauptpersonalrats vom Senat trotzdem bestätigen, dass man mit dem Sonderurlaub bis Ende des Jahres weiter macht - mindestens bis zur Rechtskraft der Urteile.

Hans Toeppen

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