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Abgebaut. Die Mauer in der Friedrichstraße kam bei vielen Anwohnern nicht gut an.

© dapd

Umstrittenes Kunstwerk: "Peace Wall" in der Friedrichstraße abgebaut

Nach mehr als einem Monat ist die Mauer in der Friedrichstraße gefallen. Anwohner und Gewerbetreibende hatten das vorzeitige Ende der Kunstaktion herbeigesehnt, Touristen verlieren eine Fotogelegenheit.

Bevor abgebaut werden kann, wird erstmal aufgebaut. Drei Männer in Arbeitshosen schleppen Eisenstangen und Trittbretter herbei und setzen daraus ein Rollgerüst zusammen. Dann klettern sie behänd hinauf, ausgerüstet mit Hämmern und Akkuschraubern. Um 7:21 geht’s los: Die erste Schraube fällt herab. Die Arbeiter sind flink, fast im Minutentakt schrumpft die große schwarze Mauer um eine Platte.

Viele Anwohner haben das Ende der „Peace Wall“ in der Friedrichstraße herbeigesehnt. Das Werk der mazedonischen Künstlerin Nada Prlja hat die Straße sichtbar in Arm und Reich geteilt – was den meisten Menschen vor Ort nicht gefiel. Davon trägt die Mauer deutliche Spuren: Kleckse von Farbbeuteln und ganzen Farbeimern laufen auf der Nordseite herunter. Auf einem grünen Plakat steht: „Wem dient die Peace Wall? Zur Selbstdarstellung“. Und an der Stirnseite haben aufgebrachte Befürworter und Gegner Statements angeheftet. Eines trägt die Überschrift: „An der Kunst scheiden sich die Geister“. Jemand kritzelte darunter: „Doch das hier ist keine Kunst!“

Eigentlich sollte die Biennale-Aktion bis zum 1. Juli dauern. Doch die anhaltenden Proteste der Anwohner und Gewerbetreibenden, die Umsatzeinbußen beklagten, führten schließlich zum vorzeitigen Abbau. Viele Passanten, die am Donnerstagmorgen vorbeikommen, können sich eines Kommentars nicht enthalten. „Wird aber auch Zeit“, entfährt es einem Radfahrer. Eine Frau im Blümchenhemd, deren Balkon keine fünf Meter von der Mauer entfernt hängt, schaut dem Treiben von oben zu und ermutigt die Bauarbeiter leise. Ihr Nachbar, der offenbar von dem Lärm geweckt wurde, blickt ebenfalls schlaftrunken heraus, nickt zustimmend und verschwindet wieder.

„Das Ding ist total daneben gegangen“, meint Ralph Stabbert, der jeden Morgen an der Mauer vorbei kam und erst durch die Zeitung erfahren hat, dass sie hier steht, um auf die sozialen Unterschiede aufmerksam zu machen. Es habe der Kunst geschadet, dass die „Peace Wall“ ohne Erklärung errichtet wurde, meint er. „Ob es so klug ist, ein Verkehrshindernis unkommentiert hinzustellen, ist fraglich.“ Das scheinen auch andere so zu sehen. Auf das Durchfahrt-Verboten-Schild an der Absperrung hat jemand mit Filzstift ein diabolisches Grinsen gemalt.

Wolfgang Kromen hingegen hätte es lieber gesehen, wenn die Mauer noch stehengeblieben wäre. „Wenn eine solche Kunstaktion schon mal genehmigt wird, dann sollte man das auch bis zum Ende durchziehen“, sagt er. Schließlich sei so etwas in München sicherlich nicht möglich. Doch auch er gibt zu: „Ich finde es nicht so originell, in Berlin wieder eine Mauer aufzustellen. Für Blockaden gibt es in Berlin genügend Relikte.“

Das sieht Cornelia Kohlhardt, die gerade auf Fortbildung in Berlin ist, anders. Die junge Frau sieht in der „Peace Wall“ in der Nähe des ehemaligen Checkpoint Charlie vor allem eine Erinnerung an die Berliner Mauer, die vor 23 Jahren fiel. „Gestern haben uns Touristen gefragt: ’Ist das die Mauer?’ Wir haben ’Ja’ geantwortet und sie haben sie fotografiert“, erzählt sie.

Noch während sie spricht, zerren die drei Bauarbeiter an einem riesigen Banner, auf dem eine Picasso-Friedenstaube aufgemalt ist. Reißzwecken spritzen umher. Auch ein übermaltes Werbebanner kommt herunter. Den hat ein nahegelegenes Hotel angebracht, das wegen der Straßensperre Verluste fürchtete – und die Mauer deswegen als Werbefläche nutzen wollte. Zuletzt montieren die sechs kräftigen Hände die Wellblechplatten auf der Südseite ab. Auf einer stand: „Achtung, Sie betreten den kapitalistischen Sektor.“

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