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Umweltzone: Keine Plakette für Lkw, Busse und Transporter?

Wenige Wochen vor der Einführung der Umweltzone in Berlin behindert eine Gesetzeslücke die Nachrüstung von Tausenden Nutzfahrzeugen mit Partikelfiltern. Fast 30.000 Fahrzeuge sind davon betroffen und damit viele Kleinunternehmer, deren Existenzen nun auf dem Spiel stehen.

Die Mitarbeiter von Höhn Brot machen sich Sorgen. Die Großbäckerei liegt zwei Kilometer außerhalb des Berliner S-Bahn-Rings in Neukölln, die meisten Kunden befinden sich hingegen innerhalb. Jeden Morgen sind Fahrer mit 20 Transportern unterwegs, um Brötchen, Brote und Kuchen zu Geschäften, Krankenhäusern und eigenen Bäckereifilialen zu bringen. In sieben Wochen haben sie ein Problem: Dann kommt die Umweltzone, und mehr als die Hälfte der Wagen darf nicht mehr in die Innenstadt fahren. Sie sind zu alt.

Drei Transporter will sich der Betrieb nun neu kaufen. Mehr sei finanziell nicht drin, sagt Kai Ollrogge. Er arbeitet in der Geschäftsführung von Höhn Brot. Für sechs Wagen hat der Betrieb zusätzlich Ausnahmegenehmigungen beantragt. "Aber wenn wir die nicht kriegen, weiß ich nicht, wie wir es schaffen sollen", sagt Ollrogge. Weniger Lieferwagen würden auch weniger Kunden bedeuten. "Wir haben schon Existenzangst", sagt er. Alle Fahrzeuge könne der Betrieb nicht ersetzen. "Und unsere Auslieferer können wir auch nicht mit öffentlichen Verkehrsmitteln losschicken."

Für viele Fahrzeuge sind oft keine passenden Filter erhältlich

Busunternehmer Karsten Schulze hat zwar weniger Sorgen, sauer ist er trotzdem. Zum Fuhrpark seiner Firma Haru Reisen gehören 32 Busse - für Stadtrundfahrten, Reisegruppen und mehrere Linien der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG). Vor zwei Jahren hat der Betrieb alle elf Busse, die für die BVG im Einsatz sind, auf Erdgas umgerüstet - für rund 3,5 Millionen Euro. Damit können sie auch nach 2010 noch in der Umweltzone fahren, wenn nur noch Fahrzeuge mit dem Abgasstandard Euro-4 Zugang haben. Der Großteil der Reisebusse müsste ab dieser zweiten Stufe aber draußen bleiben. Die meisten haben Euro-3-Motoren, obwohl keiner älter als drei Jahre ist. "Da gab es einfach noch nichts Besseres", sagt Geschäftsführer Schulze.

Nach Angaben der Innung des Kraftfahrzeuggewerbes Berlin gab es bis Mitte 2007 keine Busse oder Lkw mit Euro-4-Niveau zu kaufen. "Man muss sich doch danach richten, was auf dem Markt ist", schimpft Schulze. Mit den Reisebussen, die er sich 2006 zugelegt habe, dürfe er ab 2010 schon nicht mehr in die Innenstadt fahren - trotz der hohen Anschaffungskosten von 350.000 und 600.000 Euro pro Fahrzeug.

Schulzes vier Busse für Stadtrundfahrten sind bereits ab Januar aus der Umweltzone ausgesperrt. "Aber die müssen nun mal in die Innenstadt, das hat die Sache so an sich", sagt er. Für diese Busse wartet auch er auf Ausnahmegenehmigungen. Nachrüsten kann er sie nicht, weil er keine passenden Filter bekommt. "Und selbst wenn es für die Dinger Filter gäbe, würde ich ja doch keine Plakette kriegen", sagt er.

Schuld ist ein Fehler in der Kennzeichnungsverordnung. Dort steht nirgends, mit welchem Filter Nutzfahrzeuge welche Umweltplakette bekommen, wie die Berliner Kfz-Innung klagt. "Für Lkw, Busse und Transporter kann man bei einer Nachrüstung im Moment also gar keine Plakette bekommen", kritisiert Innungssprecher Anselm Lotz. Die Senatsverwaltung für Umwelt räumt den Fehler ein. Derzeit werde das Dokument auf Bundesebene geändert, sagt Sprecherin Marie-Luise Dittmar. Bis dahin seien trotzdem Tausende Nutzfahrzeuge von der Gesetzeslücke betroffen.

Durch die Gesetzeslücke droht eine erneute Nachrüstung

Laut Senatsverwaltung sind in Berlin rund 80.000 Fahrzeuge als Lkw zugelassen. Etwa 29.000 davon erfüllen die Anforderungen der Umweltzone schon ab 2008 nicht. Solange die genauen Vorgaben für die Nachrüstung nicht feststünden, liefen ihre Besitzer Gefahr, mit einem neuen Filter nur eine rote oder gelbe Plakette für untere Abgasstandards zu bekommen und 2010 erneut nachrüsten zu müssen, sagt Lotz. Ohnehin sei der Filtereinbau bei großen Nutzfahrzeugen erheblich teurer als bei Pkw. Während die Besitzer von Autos und Transportern zwischen 500 und 1500 Euro für den Einbau von Partikelfiltern auf den Tisch legen müssten, koste die Nachrüstung bei Lkw bis zu 6000 Euro, bei Bussen bis zu 10.000 Euro, rechnet Lotz vor.

"Die ganze Regelung ist handwerklich schlecht gemacht", schimpft Schulze. Die Umweltzone werde übers Knie gebrochen, ohne dass die notwendigen Voraussetzungen erfüllt seien. Behördensprecherin Dittmar hält dagegen: "Die Umweltzone ist seit 2005 beschlossene Sache." Überstürzt sei nichts.

Trotzdem wundert auch sie sich über die Zurückhaltung der Berliner. Rund 80.000 von etwa 1,2 Millionen zugelassenen Fahrzeugen in der Hauptstadt sind der Senatsverwaltung zufolge ab Jahresanfang vom Fahrverbot betroffen - es sei denn, sie werden nachgerüstet oder bekommen eine Ausnahmegenehmigung. Ollrogge und Schulze gehören aber zu den wenigen, die bislang Ausnahme-Anträge eingereicht haben. Insgesamt sind es laut Dittmar erst 500. Auf Andrang in den letzten Wochen des Jahres hat sich die Behörde daher schon eingestellt.

Christiane Jacke[ddp]

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