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Berlin: Und er war doch schön

Abriss? Welcher Abriss? Stimmungsumschwung bei der Besichtigung des Palastes der Republik

Vor 30 Jahren durfte Eva Jurczek aus Mahlsdorf den Palast der Republik persönlich begrüßen: Als die bis dahin nie gesehene Wundertüte fürs Volk im Frühjahr 1973 eröffnet wurde, steuerte sie ihr Gesangstalent zum Festprogramm bei. An diesem Freitagnachmittag darf sie sich als eine der Ersten auch vom Palast verabschieden: Sie hat zwei Karten für eine der heiß begehrten Führungen durch den Koloss ergattert, der anlässlich der „Schaustelle Berlin“ zum ersten Mal nach 13 Jahren wieder zugänglich ist. „Mich schmerzt es nicht, wenn der Palast verschwinden würde“, sagt die 67-Jährige.

Die 30 Angemeldeten drängen hinein, ein knappes Dutzend kartenloser „Spontis“ zieht nach vergeblichem Flehen enttäuscht ab, und eine kleine rothaarige Frau packt die Zettel zusammen, die sie zuvor nicht unters Volk bringen konnte: Petra Pau vom PDS-Duo im Bundestag hat auch eine Karte abbekommen und Kopien ihrer jüngsten Parlamentsrede mitgebracht. Doch die Nachfrage war mäßig – die meisten sind nicht gekommen, um den Verlust ihrer sozialistischen Kuschelecke zu betrauern, sondern aus purer Neugier. Jetzt stehen sie im Halbdunkel und staunen über die gewaltigen Dimensionen des leeren Raumes. Manche erinnert er an eine tote Fabrik. Die Führerin vom Verein „Zwischen Palast Nutzung“ macht auf den Stahlsockel der einstigen Glasblume im Foyer aufmerksam und erinnert daran, dass das glitzernde Kunstwerk immer als Pausenbild im DDR-Fernsehen auftauchte. „Daneben war doch immer diese hübsche Bar aus rotem Leder“, sagt Eva Jurczek zu ihrem Mann. Weiter hinten in der Gruppe staunt eine junge Frau:„Ach, es gab Rolltreppen hier?“ Die Verkleidung der Rolltreppen ist fast das Einzige, was nicht herausgerissen wurde. Sonst sei der Krebs erregende Asbest bis in die hintersten Ritzen gekrochen. „Der Palast war ja zu 95 Prozent ein Werk der DDR“, sagt die Führerin. „Da hat man auch Wert drauf gelegt. Was leider importiert wurde, war der Spritzasbest aus Schweden.“

Vom Tagungssaal der Volkskammer ist nur noch ein großes Loch übrig, von dem aus man den Dom auf der anderen Straßenseite sieht. Beim Gang durchs einstige Theaterfoyer erinnern sich die Jurczeks, wie sie einst bei den Palast-Bällen in ihren besten Kleidern zwischen Jazzorchestern, Ausstellungen und Tanzdarbietungen flaniert sind. Es war ja immer irgendwas Besonderes los im Palast. Beim Blick von der oberen Etage in den Großen Saal mit seinen ausklappbaren Rängen und Wänden wird Eva Jurczek dann doch schwach: „Nee, also ich finde, das sollte man nicht abreißen!“ Was dann? „Na, dafür sind doch Architekten da, sich das zu überlegen!“

Zum Abschied schwärmt die Führerin von den Plänen ihres Vereins, den ausgeweideten Palast bis zu seinem Abriss kulturell zu nutzen. Petra Pau wirft ein, dass das Votum des Bundestages für ein Stadtschloss keinen Beschluss zum Abriss enthalte. Ein junger Mann mit schwarzer Mähne sagt, das hier sei „wie Ferropolis“ und hört schon die Bässe künftiger Events wummern. Zwei Männer in den besten Jahren, West-Berliner beide, plädieren für den Umzug des ICC in den Palast – einschließlich Abriss des Klotzes an der Masurenallee: „Der ist genauso hässlich, aber an dem hängen noch nicht einmal Emotionen.“ Ein anderer Besucher aus dem Westen will weder Palast noch Schloss, sondern etwas ganz Neues. Eine alte Frau, die früher „mindestens einmal pro Woche hier war“, fragt sich, wer sich die ganze Innenausstattung unter den Nagel gerissen hat.

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