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Berlin: Und plötzlich ist das Konto leer

Wie eine Unbekannte EC-Karte und Ausweis stahl, an den Bankschalter ging – und damit ohne Probleme 14 000 Euro Bargeld erhielt

Es dauerte noch nicht mal eine Stunde, bis sie merkte, dass in ihrem Rucksack etwas fehlte: ihr Portemonnaie. Aber ihr Anruf bei der Bank kam schon zu spät. Als sie ihre Geldkarte sperren lassen wollte, erfuhr Julia T., dass ihr Konto bereits nahezu leergeräumt war – von 14 800 Euro blieben ihr vom einen zum nächsten Moment 800 Euro. Es hört sich an wie ein Albtraum, was die Berlinerin an jenem Novembertag erlebte.

Während die 38-jährige Regieassistentin in den Babelsberger Filmstudios gerade Darsteller castete, klaute eine Diebin ihre direkt neben ihr liegende Geldbörse. Das Erstaunliche: Um an ihr Erspartes zu kommen, benötigte die Diebin anschließend keine großen technischen Tricksereien, keine PIN und auch keine TAN. Die Frau fuhr einfach in eine Commerzbank-Filiale in Zehlendorf, druckte sich in aller Ruhe Kontoauszüge aus, schaute auf den Betrag und ging dann zum Bankschalter. Wie üblich, zeigte sie eine EC-Karte und einen Personalausweis vor und unterschrieb einen Auszahlungsbeleg. Nur waren es eben nicht ihre Dokumente, mit denen sie mal eben 14 000 Euro in bar abhob – und damit Julia T. praktisch mittellos machte.

Als Julia T. von der Abhebung hörte, eilte sie in die Bankfiliale. Und da stellte die Angestellte, die ihr Geld in bar ausgehändigt hatte, nun auch fest, dass die vermeintliche Kundin völlig anders ausgesehen hatte als die wahre Kontobesitzerin: korpulenter und größer als die schmächtige Blondine, auch eine Mütze und eine Brille soll sie getragen haben. „Und ihre Unterschrift sah meiner noch nicht mal ähnlich“, sagt Julia T. Die Diebin soll gesagt haben, sie wolle ein Auto kaufen – deshalb brauche sie so viel Geld auf die Schnelle. Und auch in bar.

„Das ist ein absoluter Einzelfall, den wir sehr bedauern“, sagte ein Banksprecher. Das Geldinstitut sensibilisiere die Mitarbeiter ständig dafür, sehr genau auf die Dokumente der Kunden zu achten. Ein solcher Fehler sei noch nie passiert. Auch Berliner Polizei und Verbraucherschutz haben von solch gravierenden Fällen nichts zuvor gehört.

Trotz ihrer misslichen Lage zeigte sich Julia T. zunächst noch verständnisvoll gegenüber der Angestellten. Fehler passieren, die mache jeder, dachte sie. Nur irgendwann sei sie sich „wie eine Bittstellerin“ vorgekommen. „Meine Ansprechpartner haben sich am Telefon verleugnen lassen und ständig unverbindliche Aussagen getroffen.“ Das Konto blieb leer. Also schaltete die Frau einen Anwalt ein – und nach zwei wirren, schlaflosen Wochen erstattete ihr die Bank die 14 000 Euro zurück. Ihr früheres Vertrauen in Banken aber hat Julia T. durch diese Geschichte verloren. Johan Dehoust

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