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Berlin: Unerlaubt neugierig

Finanzbeamte riefen vertrauliche Steuerdaten ab. Minister Markov lässt 3000 Mitarbeiter überprüfen.

Potsdam - Brandenburgs Finanzminister Helmuth Markov (Linke) lässt 3000 Mitarbeiter an allen Finanzämtern wegen des Verstoßes gegen das Steuergeheimnis überprüfen. Anlass ist der Verdacht, dass Beamte widerrechtlich vertrauliche Steuerdaten abgerufen haben sollen.

Die laufende Kontrolle ist in ihrem Umfang bislang einzigartig. Entschlossen hat sich das Ministerium dazu, nachdem das Ergebnis der Stichprobe bei einer Behörde aus dem Jahr 2011 vorlag. Es hat laut Ministerium eine enorm hohe Zahl an Verstößen gegeben, bei denen sich die Beamten für Steuerdaten von Bürgern interessierten, für die sie nicht zuständig sind. Nach Tagesspiegel-Informationen geschah dies am Finanzamt Strausberg (Märkisch-Oderland). Es soll bei zahlreichen Mitarbeitern Verstöße gegeben haben. Die genaue Zahl wurde nicht genannt, es sollen aber weniger als die Hälfte der Bediensteten sein. Den Betroffenen drohen dienstrechtliche Konsequenzen bis hin zur Entlassung. Ob bereits Verfahren abgeschlossen sind, wollte ein Ministeriumssprecher nicht sagen. „Es geht nicht um kriminelle Energie, sondern darum, ob ein Bediensteter nur auf Daten zugreift, die er zu bearbeiten hat. Es ist schon nicht statthaft, mal eben nachzuschauen, wie viel der eigene Nachbar verdient“, sagte er. Die Bürger müssten sich darauf verlassen können, dass sensible Angaben geschützt werden. Deshalb werden bei 3000 der 3400 Mitarbeiter mit einer Software frühere Abrufe von Steuerdaten überprüft.

Wegen der Kontrolle gibt es aber massive Kritik an Finanzminister Markov. Der Landesvorsitzende der Deutschen Steuer-Gewerkschaft, Hans-Holger Büchler, warf dem Minister vor, die Mitarbeiter in den 15 Finanzämtern unter Generalverdacht zu stellen. Brandenburgs Datenschutzbeauftragte Dagmar Hartge lässt die Überprüfung derzeit auf ihre Rechtmäßigkeit kontrollieren. Sie hält den Vorgang für unverhältnismäßig und fordert, das Verfahren auszusetzen. „Die Frage ist schlicht, ob es datenschutzrechtlich zulässig ist oder nicht“, sagte Hartges Sprecher Sven Müller. Zumindest hätte man sich gewünscht, dass das Finanzministerium vor der Maßnahme die Datenschutzbeauftragte konsultiert. Aus Büchlers Sicht unterstellt das Ministerium allen Bediensteten, neugierig zu sein. „Ich kann das nicht nachvollziehen. Mir ist auch bundesweit ein solcher Vorgang nicht bekannt“, sagte Gewerkschafter Büchler. Auch die oppositionelle CDU-Fraktion im Landtag kritisierte Markovs hartes Vorgehen als überzogen.

Der Ministeriumssprecher verteidigte die Überprüfung als routinemäßige Innenrevision, wie sie in allen Behörden vorkomme. Es sei abgewogen worden, dass der Schutz des Steuergeheimisses der Bürger schwerer wiege als der Schutz der Persönlichkeitssphäre der Mitarbeiter. Ohne Überprüfung der Beamten könnten die unrechtmäßigen Datenzugriffe nicht aufgedeckt werden. axf/mat

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