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Sechs Tote: Der Unfall am 14.08.2015 auf der A10 bei Berlin gehörte zu den schlimmsten Unfällen Brandenburgs im vergangenen Jahr.

© Bernd Settnik/dpa

Unfallbilanz Brandenburg: Rund um Berlin bundesweit die meisten Verkehrstoten

Horrorbilanz auf den Straßen Brandenburgs: Im vorigen Jahr sind 179 Menschen bei Verkehrsunfällen ums Leben gekommen - prozentual mehr als in jedem anderen Bundesland.

Das sind 40 Tote mehr als 2014, was einer dramatischen Steigerung um 28,8 Prozentpunkte in nur zwölf Monaten entspricht. Das geht aus der aktuellen Unfallbilanz hervor, die Innenminister Karl-Heinz Schröter und Infrastrukturministerin Kathrin Schneider (beide SPD) am Montag in Potsdam vorstellten. „Es ist mehr Schatten als Licht“, sagte Schröter. Brandenburg werde mit 73 Toten je eine Million Einwohner voraussichtlich einen traurigen Spitzenplatz unter allen Bundesländern einnehmen. Nirgendwo ist es gefährlicher unterwegs zu sein als in Brandenburg. Bundesweit nahmen die Verkehrstoten 2015 lediglich um zwei Prozent zu.

Zwar blieb das Niveau bei den Unfällen (80.723, plus 1,8 Prozent) stabil, ebenso bei den knapp 11.000 Verletzten. Doch die Entwicklung bei den Toten alarmiert die Verantwortlichen ums so mehr, als damit ein langfristiger Abwärtstrend gebrochen wurde. Seit 1991, wo 931 Menschen im Verkehr starben, war die Zahl der Verkehrstoten zumindest Jahr für Jahr zurückgegangen – 2004 waren es 280, 2014 noch 139. „Wir hoffen, dass es ein einmaliger Ausrutscher war“, sagte Schneider. Es bleibe beim Ziel, die Zahl der Verkehrstoten bis 2014 auf maximal 100 pro Jahr zu senken.

Wieso? Das fragen sich die Verantwortlichen auch

Über die Gründe rätseln die Verantwortlichen. Auffällig ist, dass vor allem innerhalb von Ortschaften 2015 die Zahl der Unfalltoten auf 47 drastisch anstieg (2014: 25), aber auch auf Landstraßen mit 108 Toten (2014: 88), während die Bundesautobahnen (24 Tote, 2014: 26) die sichersten Straßen sind. Schröter äußerte die Vermutung, dass die „Mautflucht“, das Ausweichen von Lastkraftwagen auf Landstraßen für die dortige Zunahme mitverantwortlich sein könnte. „Wenn der Verkehrsfluss eingeschränkt wird, trägt dies zur Aggressivität bei.“ Auf Raserei gingen 75 Verkehrstote zurück, 53 Prozentpunkte mehr als 2014. Es gab 2015 fünf im Straßenverkehr getötete Kinder, 2014 war kein Kind ums Leben gekommen. Und es ist auch nicht der Transitverkehr. „Zwei Drittel der Unfallopfer sind Brandenburger“, sagte Schneider. Auch die Verursacher der Unfälle seien meist Einheimische. Ebenfalls angestiegen ist die Zahl getöteter Senioren, mit 47, was einer Steigerung gegenüber dem Vorjahr um 23,7 Prozent entspricht. Eine Unfallursache seien auch „geistige und körperliche Mängel“, die etwa zum Benutzen der falschen Fahrbahn („Geisterfahrer“) führten, hieß es.

Dabei hatte es im ersten Halbjahr 2015 noch gut ausgesehen, waren die Zahlen gegenüber dem Vergleichszeitraum da sogar noch um 25 Prozent deutlich rückläufig. Und auch Wetterkapriolen habe es keine Gegeben, sagte Schneider. Damit fallen die Rekordzuwächse allein ins zweite Halbjahr, in dem die brandenburgische Polizei wegen der Flüchtlingskrise in Atem gehalten wurde, Ressourcen dafür gebunden waren. „Ein Zusammenhang lässt sich nicht herleiten, aber auch nicht ausschließen“, sagte Schröter dazu. Nach seinen Worten hätte es dann aber bundesweit ähnliche Steigerungen geben müssen, in Sachsen den höchsten Wert, was aber nicht der Fall sei.

Allerdings hatten frühere Amtsinhaber wie Ex-Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) das in Brandenburg besonders aggressive Fahrverhalten beklagt, das die Polizei seit eineinhalb Jahrzehnten mit extremen Überwachungsdruck einzudämmen versuchte. Im letzten Halbjahr war der erstmals gelockert worden. Im Zuge der Flüchtlingsaufgaben hat es auf den Straßen „weniger Kontrollen gegeben“, sagte Polizeipräsident Hans-Jürgen Mörke. Und der Schutz der Heime, Einsatzlagen wie etwa bei Demonstrationen habe weiter Vorrang. Die Polizei wolle „im Rahmen der verfügbaren Möglichkeiten“ aber den Überwachungsdruck aufrechterhalten. So kündigte Mörke neue stationäre „Blitzer“ auf den Bundesautobahnen BAB 10, 11, 13 an. „Die bringen Geld“, sagte Mörke. Zum anderen könne man so mobile Kontrollen von den Autobahnen ins Land verlagern. Im Schnitt habe die Polizei landesweit aktuell 105 Streifenwagen auf den Straßen. Vor der 2010 begonnen Polizeireform, die inzwischen gestoppt wurde, waren es noch 124 Streifenwagen.

Schon jetzt haben die Brandenburger im Vergleich aller Bundesländer die höchsten Punktestände in Flensburg. Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD) machte einen unkonventionellen Vorschlag, um vernünftige Fahrweisen zu erzwingen. Vielleicht wäre ein Modell wie in den USA sinnvoll, sagte Schröter, dass bereits Verstöße, Flensburg-Punkte, direkte Auswirkungen auf die Versicherungspolice hätten. Schließlich sei „die Geldbörse das empfindlichste Organ des Menschen."

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