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Unglück am Leipziger Platz: Plötzlich brach alles in sich zusammen

Auf einer Großbaustelle am Leipziger Platz ist eine Deckenverschalung eingestürzt. Vier Bauarbeiter wurden darunter begraben, zwei von ihnen erlitten schwere Verletzungen. Es war nicht das erste Unglück auf der Baustelle.

Armdicke Holzbalken liegen kreuz und quer auf dem Boden verteilt. Wie bei einem gewaltigen Mikadospiel sind Metallstützen darübergestürzt und auf der der Spitze des Durcheinanders liegen dunkelbraune Holzplatten verstreut. Diese Teile sollten dem flüssigen Beton für eine Geschossdecke des neuen Shopping-Centers am Leipziger Platz Halt geben. Am Dienstagnachmittag um 14.32 Uhr hat die Konstruktion plötzlich nachgegeben und ist in sich zusammengefallen. Vier Bauarbeiter wurden darunter begraben. Zwei erlitten schwere Verletzungen, die beiden anderen wurden leicht verletzt. Etwa 20 Meter vom Bürgersteig der Voßstraße entfernt liegen noch die Jacken der Verunglückten zwischen den Trümmerteilen am Boden.

„Die Deckenverschalung ist wie ein Kartenhaus zusammengestürzt“, sagt Feuerwehrsprecher Sven Gerling. Er war als einer der ersten Hilfskräfte an der Unglücksstelle. Der Blick von der Dachterrasse des benachbarten Hauses lässt das Ausmaß erkennen. Auf einer Fläche von 500 Quadratmetern liegen die Balken und Stützen auf der Baustelle verteilt. Die Kräne stehen still, zumindest in dieser Ecke der Baustelle. „Im Jahr 1927 stand hier einst das größte Einkaufszentrum Europas“, verkünden die Schilder am Bauzaunes.

Nach Angaben der Feuerwehr und des Bauleiters waren die Arbeiter gerade dabei, die Schalungen für die Decke des ersten Untergeschosses auf etwa 3500 Quadratmetern Fläche fertigzustellen. Zwischen zahlreichen Betonpfeilern, die künftig auf Dauer diese Decke tragen sollten, wurden dafür zusätzlich mehr als hundert etwa fünf Meter hohe Stahlstützen und Holzbalken senkrecht aufgestellt. Diese dienten als Unterbau für die waagerechte Einschalung der Decke mit Holz- und Stahlplanken. Beton und Zement waren in die Schalung noch nicht eingeschüttet, als diese Konstruktion auf mehr als 500 Quadratmetern einstürzte.

Wenige Minuten später eilte die Feuerwehr mit mehreren Notärzten, 80 Beamten und schwerem Gerät herbei, darunter auch ein Kran. Die Retter mussten sich durch das Gewirr von Balken, Brettern und Stahlstützen einen Weg zu den Verletzten bahnen. Die schwer verletzten Bauarbeiter, ein 25-jähriger Portugiese und ein 57-jähriger Kosovare, wurden in einem Krankenhaus stationär aufgenommen, um sie auf innere Quetschungen und Blutungen zu untersuchen. Sie sollen schon direkt nach dem Unfall ansprechbar gewesen sein.

Anfangs war von noch mehr als vier Verschütteten die Rede, dies traf dann aber nicht zu. „Unsere Leute schoben Mengen von Balken beiseite, durchwühlten das ganze Gelände bis sie Entwarnung gaben“, sagte ein Feuerwehrsprecher. Danach blieben die Retter aber weiter am Ort. Sie wollten „zur Stelle zu sein, falls noch mehr ins Wanken kommt“.

Die Ursache des Unglücks war am Dienstagabend noch völlig unklar. Hinter dem Bauzaun an der Voßstraße wurden die Arbeiten eingestellt, die Polizei übernahm und befragte zusammen mit Experten des Landesamtes für Arbeitsschutz mehr als ein Dutzend Bauarbeiter. Einige von ihnen sollen noch auf der Verschalung gestanden haben, als die Holzdecke einbrach. Sie konnten sich aber offenbar in letzter Sekunde retten, heißt es. Das Landeskriminalamt und die Arbeitsschutzbehörde habe nun die weiteren umfangreichen Ermittlungen auf Baugefährdung und fahrlässige Körperverletzung übernommen.

Die Baustelle am Leipziger Platz ist nicht zum ersten Mal von einem größeren Unglück betroffen. Am 30. März dieses Jahres war Wasser in die Baugrube eingedrungen. Ursache war eine undichte Betonwand am Rand. Weil nicht ausgeschlossen werden konnte, dass dabei auch der Tunnel der U-Bahn-Linie U 2 unterspült worden war, stellten die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) den Betrieb zwischen den Stationen Potsdamer Platz und Mohrenstraße wochenlang ein; Fahrgäste mussten in Ersatzbusse umsteigen oder den Weg zwischen beiden Stationen zu Fuß zurücklegen.

Erst nachdem Gutachten geklärt hatten, dass der Tunnel sicher war, nahm die BVG am 11. Mai die Fahrten wieder auf. Bereits vor dem Unglück angebrachte Sensoren im Tunnel zeigen mögliche Bewegungen im Bauwerk sofort an.

Die BVG hat beim Bauherrn nach Tagesspiegel-Informationen wegen ihrer Aufwendungen eine Rechnung in Höhe von 1,52 Millionen Euro geltend gemacht. Beglichen worden soll sie noch nicht sein.

Auf der Baustelle am Leipziger Platz sollen bis zum Jahr 2014 rund 270 Läden und ebenso viele Wohnungen entstehen. Die Wertheim-Baustelle ist das derzeit größte private Bauvorhaben Berlins. Insgesamt umfasst das Projekt eine Fläche von 148 000 Quadratmetern. Bereits 1912 stand hier ein Kaufhaus: das Wertheim, dessen letzte Reste bis zum Abriss 2005 den Techno-Club "Tresor" beheimateten.

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