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Lagerfeuer-Romantik. Bei den Pfadfindern lernen Kinder und Jugendliche, sich selbst zu organisieren und füreinander Verantwortung zu tragen.

© promo/BdP

Unsere Tochter wird Pfadfinderin: Die Hunnen kommen

Unsere achtjährige Tochter packt ihre Sachen für die erste Fahrt mit den Pfadfindern. Ein Abenteuer auch für Großstadt-Eltern.

Die Sehnsucht nach der Natur gehört zum Seeleninventar des Berliners, obwohl die Stadt ja längst keine Steinwüste mehr ist, sondern grün und wild wie kaum eine andere. Wir lassen der Natur ihren Raum, jede Brache, jeder Strauch ist uns heilig. Füchse huschen zwischen parkenden Autos herum, Honigbienen hausen auf unseren Dächern. In den Randbezirken pflügen Wildschweine die Vorgärten, und nicht nur jenseits der Stadtgrenze heulen die Wölfe, sogar in Neu-Tempelhof, in der Nähe des stillgelegten Flugfeldes, hat sich ein junges Rudel niedergelassen.

Es sind die Wölflinge, der Pfandfinder-Nachwuchs vom Stamm der Hunnen. Jüngstes Mitglied ist unsere achtjährige Tochter Greta. Die Hunnen! Mit Stammsitz in der Fliegersiedlung, wo die Straßen bis heute nach deutschen Kampfpiloten aus WK1 benannt sind. Anfangs war ich ein wenig besorgt, dass es da mit rechten Dingen zugeht. Aber das war völlig unbegründet. Die jugendlichen Betreuer sind sehr sympathisch und weltoffen. Zwei Gruppenleiter, ein Junge und ein Mädchen, haben uns zu Hause besucht, um uns die Pfadfinderei zu erklären: Kinder und Jugendliche organisieren sich selbst, lernen, Verantwortung füreinander zu tragen und erleben gemeinsame Abenteuer: natürlich fernab elterlicher Aufsicht, draußen in der Natur. Herkunft, Religion und kulturelle Unterschiede sollen bei alledem keine Rolle spielen.

Essen aus dem Koschi, schlafen auf dem Poncho

Inzwischen ist Greta stolze Trägerin eines Blauhemds. Sie kann es kaum erwarten, endlich auch das dazugehörige gelbe Halstuch zu tragen. Das bekommen die Wölflinge allerdings erst, nachdem sie an der ersten Fahrt teilgenommen haben. Greta ist darum fest entschlossen, den Jahreswechsel im Winterlager zu verbringen. „Ich brauche aber noch das Koschi und den Poncho.“ Alles klar. Als Vater einer Pfadfinderin (und ehemaliger Wehrdienstverweigerer) muss man einige Vokabeln nachholen. Koschi ist die Abkürzung für Kochgeschirr, bestehend aus einer Alu-Trinkflasche, die in einer Hülle steckt, deren Unter- und Oberteil als Trinkbecher oder Esstopf benutzbar sind.

Beim Poncho denke ich als Zivilist an die Umhänge der peruanischen Panflötengruppen, die in den 80er Jahren die westdeutschen Fußgängerzonen bevölkerten. Vergiss es. Pfadfinder Simon überreicht mir aus den Nachlassbeständen der Veteranen einen Poncho zweiter Hand: einen Ein-Mann-Zelt-großen Umgang aus regenfester feldgrüner Plane mit Kapuzenloch. „Den benutzen wir auch als Schlafunterlage“, erklärt er. Auch ein Koschi und eine Provianttasche gibt es dazu, alles zum Komplettpreis abzugeben. Zu Hause, in Gretas Kinderzimmer dünstet der Brotbeutel einen Geruch aus, als sei er schon 1916 in Flandern in Gebrauch gewesen. Ich sehe Greta vor mir, wie sie am Neujahrstag von der Winterfahrt zurückkehrt, das Gesicht vom Lagerfeuer rußgeschwärzt, eine Wölfin mit leuchtenden Augen.

Informationen gibt es beim Bund der Pfadfinderinnen und Pfadfinder (BdP), dem größten interkonfessionellen Pfadfinderverband in Deutschland (www.pfadfinden.de) oder beim Ring deutscher Pfandfinderverbände, dem auch die christlich-konfessionellen Organisationen angehören (www.pfadfinden-in-deutschland.de).

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