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Berlin: Unter Freunden

Vor zehn Jahren verließen die US-Truppen Berlin. Die amerikanische Kultur ist geblieben. Wir sagen wo

Der Trip in den tiefen Süden der USA dauert nicht länger als eine Fahrt zum Hüttenweg nach Dahlem. Vielleicht erinnern sich die vielen Stammbesucher, die von Freitag an wieder zum deutsch-amerikanischen Volksfest pilgern, an die Kulissen im Sommer 1989. Damals gab die Südstaaten-Metropole New Orleans das Motto, und Alligator Wings waren der Snack-Hit. Während des Kalten Krieges war das Volksfest zu einem absolut kultigen Begegnungsort für Deutsche und Amerikaner gediehen. Zwischen Wiedervereinigung und endgültigem Abzug der Alliierten im September 1994 war die Atmosphäre dort geprägt von Abschiedswehmut. Seit Ende des Zweiten Weltkrieges waren die Alliierten aus dem Stadtbild kaum wegzudenken. In Berlin war das Epizentrum der deutsch-amerikanischen Freundschaft entstanden. „Neue Traditionen“ wurden geschaffen, um an die alten anzuknüpfen.

Die Affinität blieb erhalten. Nach dem 11. September versammelten sich die Berliner ganz selbstverständlich zu einer großen Solidaritätskundgebung vor dem Brandenburger Tor. Der amerikanische Botschafter Dan Coats, damals erst wenige Tage im Amt, zeigte sich noch lange danach beeindruckt. Egal wie die Beziehungen zwischen den USA und Deutschland sonst auch waren, Berlin hat immer eine Sonderrolle gespielt. Rund 11700 US-Amerikaner leben heute in Berlin. Bei akuten Anfällen von Heimweh haben sie die Wahl zwischen verschiedenen Diners oder Kettenrestaurants wie Tony Roma’s auf dem Potsdamer Platz. Und im Cinestar im Sony Center sind die neuesten Hollywood-Filme im Original zu sehen.

Für den Geist ist sowieso gesorgt. In der American Academy am Wannsee verbreiten amerikanische Stipendiaten ein Standards setzendes intellektuelles Klima. Einige der begabtesten amerikanischen Künstler und Wissenschaftler arbeiten hier auch an berlinbezogenen Projekten und werden dabei oft zu geistigen Botschaftern der Stadt. Sonntags treffen sich Amerikaner, Deutsche und Menschen aus vielen anderen Ländern zu den Gottesdiensten der American Church in Berlin, die eine über hundertjährige Geschichte hat und die am schnellsten wachsende Kirchengemeinde in Berlin ist.

Hier lebende Amerikaner nehmen ihre Besucher aus den USA auch gern mit ins Alliierten Museum nach Zehlendorf. Wo einst das gesellschaftliche Zentrum der Truppen mit dem Outpost Kino im Mittelpunkt stand, kann man heute den Spuren der Soldaten folgen, die Berlin im Kalten Krieg verteidigten. Damals galt die Stadt neben vielem anderen auch als Welthauptstadt der Spione.

So sehr sich zahlreiche neue Traditionen auch bewährt haben: Viele deutsche und amerikanische Berliner, die sich die Alligatoren lieber lebendig im Urlaub in den Sümpfen des tiefen Südens anschauen, werden trotzdem wieder zum „Wolksfest“ gehen, das als Institution erhalten blieb. Selbst wenn sich der amerikanische Lifestyle in Berlin immer schneller weiterentwickelt: Alte Traditionen halten wichtige Erinnerungen warm.

44. deutsch-amerikanisches Volksfest, 23. Juli bis 15. August, Mo bis Do u. So 14 – 23 Uhr, Fr/ Sa 14 – 24 Uhr, Clayallee/Ecke Argentinische Allee, Dahlem, Motto „Deep South“, Infos unter www.deutsch-amerikanisches-volksfest.de oder 81003036, Eintritt 1,50 Euro, Kinder unter 14 frei.

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