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Berlin: Unterrichtsausfall: Nicht jede Stunde wird gezählt

Nach der neuen Statistik der Bildungsverwaltung hat sich die Lage gebessert Schulen und Eltern sehen das anders und behaupten, es werde „gemogelt“

Offiziell ist der Unterrichtsausfall im vergangenen Schuljahr leicht gesunken – jedenfalls statistisch. Dies geht aus dem aktuellen Jahresbericht der Senatsverwaltung für Bildung hervor, der dem Tagesspiegel vorliegt. Demnach fielen pro Woche etwa 13 500 Stunden aus, das entspricht 2,5 Prozent des Unterrichts. Im Vorjahr waren es 2,6 Prozent. Eltern und Lehrer sehen in der Statistik allerdings eine „Mogelpackung“ und gehen davon aus, dass der Ausfall tatsächlich höher ist.

Der Jahresbericht beziffert nicht nur die ausgefallenen Stunden, sondern auch alle Stunden, die nicht regulär erteilt wurden. Das sind 57 000, was 10,5 Prozent des gesamten Unterrichts betrifft. Ein Großteil wird vertreten und deshalb nicht als „Ausfall“ bewertet. Um diese Vertretung zu organisieren, müssen die Schulen etliche Kompromisse eingehen, denn die geringe Personalreserve reicht dazu nicht aus. In fast der Hälfte der Fälle kann der Ausfall nur dadurch verhindert werden, dass Förderunterricht für Migranten, Behinderte oder Hochbegabte entfällt oder dadurch, dass Schüler auf Parallelklassen verteilt werden. Zusätzlich werden noch Erzieherinnen als Ersatz herangezogen. Beide „Maßnahmen“ akzeptiert die Senatsverwaltung für Bildung.

Zwar betont die Verwaltung, dass der Einsatz von Erzieherinnen nur „im Ausnahmefall“ und nach „Anleitung durch eine Lehrkraft“ als Vertretung deklariert werden dürfe. Die Realität sehe aber anders aus , berichtet die Neuköllner Schulleiterin Marion Berning. Ein pensionierter Gesamtschulleiter sagte gestern, viele Schulen würden ihre Statistik „schönen“, um bei den Eltern im besseren Licht zu erscheinen oder um nicht „von oben“ kritisiert zu werden. In einigen Schulen würden sogar aushelfende Eltern als Vertretung deklariert, berichtet Landeselternsprecher André Schindler. Man könne die Statistik „in die Tonne treten“.

Ähnlicher Ansicht ist Erhard Laube vom Verband der GEW-Schulleiter. Er hält den Bericht vor allem deshalb für eine „Mogelpackung“, weil der ausgefallene Förderunterricht nicht zu Buche schlägt. Nur deshalb liege der Ausfall an Grundschulen bei nur 2,3 Prozent.

Höher ist der Ausfall an den Oberschulen. Hier liegt er offiziell zwischen drei Prozent (Gymnasien) und 2,4 Prozent (Gesamtschulen). Aber auch diese Zahlen stimmen wohl nicht ganz. Denn etliche Schulen geben die tausenden Stunden, die an Prüfungstagen ausfallen, gar nicht erst an. So haben die siebten bis zwölften Klassen oft tagelang keinen Unterricht, weil Abiturklausuren geschrieben werden.

Zwar teilte die Bildungsverwaltung gestern auf Anfrage mit, dass „der durch Prüfungen ausgefallene Unterricht als Ausfall gezählt wird“. Jedoch – die Schulen wissen davon offenbar nichts, wie eine Nachfrage bei den Leitern ergab. „Unerhört“ sei das, wenn sich das bestätige, befand gestern der Landesschulbeirat. Harald Mier vom Verband der Oberstudiendirektoren fordert jetzt, dass dieser Widerspruch geklärt werden müsse.

Um künftig das Problem des Unterrichtsausfalls nicht nur statistisch, sondern auch de facto in den Griff zu bekommen, fordert Miers Verband eine Vertretungsreserve von fünf statt der geplanten drei Prozent des Personals.

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