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Verrammelt. "Ausflugstipps? In Karow? Oh Gott!", sagte die Kellnerin im Kaffeehaus an der Bahnhofstraße.

© Jens Mühling

Unterwegs in Berlins Ortsteilen: Wo die Pfarrer Witze reißen

96 Ortsteile hat die Stadt. Unser Kolumnist bereist sie alle – von A wie Adlershof bis Z wie Zehlendorf. Mühling kommt rum, Nr. 41: Karow.

Es gibt Ortsteile, deren Bewohner nur so lossprudeln, wenn sie nach örtlichen Sehenswürdigkeiten gefragt werden. Und es gibt Karow. Als ich die Kellnerin im Kaffeehaus an der Bahnhofstraße um Ausflugstipps bat, sah sie mich mit schreckgeweiteten Augen an. „In Karow? Oh Gott!“ Eine ältere Kundin sprang ihr bei. „Sie können sich die alte Dorfstraße ansehen“, sagte sie. „Aber damit werden Sie schnell fertig sein.“

Ich war keineswegs schnell fertig. Vor einem der alten Bauernhäuser an der Dorfstraße traf ich auf einen Trupp der Freiwilligen Feuerwehr, der gerade eine 17 Meter hohe Tanne schmückte. Ein Rettungsfahrzeug stand auf dem Gehweg, der Korb am Ende der ausgefahrenen Leiter schwenkte um die Baumkrone, zwei Einsatzkräfte wickelten Lichterketten in die Zweige. „Alte Tradition“, erklärte mir der Hauptbrandmeister. „Den Baum schmücken wir seit 30 Jahren. Am Anfang war er noch acht Meter kleiner. Mit dem alten DDR-Leiterwagen würden wir heute gar nicht mehr an die Spitze kommen.“
Beiläufig erkundigte sich der Hauptbrandmeister, ob ich nicht Lust hätte, Feuerwehrmann zu werden – die Karower suchten dringend Nachwuchs. Als er hörte, dass ich nur zu Besuch hier war, sah er mich mitleidig an. „Aus der Innenstadt? Oh je. Für mich wär das nix.“

150 tote Schafe auf den Gleisen – und ein paar halbtote

Er erzählte von seinen Feuerwehreinsätzen, den guten und nicht so guten. Der schlimmste war der mit den Schafen gewesen. Vor ein paar Jahren war in der Gegend ein Zug mit 80 Sachen durch eine verirrte Herde gebrettert. In jener Nacht mussten die Feuerwehrleute 150 tote Schafe von den Gleisen kratzen – und ein paar halbtote. Der Hauptbrandmeister war ein Mann wie ein Baum, mit einem Händedruck, der meine Finger knacken ließ, aber als er von den Schafen erzählte, wurde er blass. Nach jener Nacht, sagte er, hätten die Feuerwehrleute von Karow eine Weile keinen Döner mehr angerührt.

Vielleicht hätte ich Karow nach der Schafgeschichte in düsterer Stimmung verlassen – wenn mich nicht ein Pfarrer wieder aufgeheitert hätte. Im Gemeindezentrum war ein Weihnachtsmarkt im Gange, im Saal saßen Rentner und mampften Kuchen. Dann trat der Pfarrer mit einem Mikrofon vor die Senioren. Mit seinem roten Pulli und dem weißen Vollbart sah er ein bisschen aus wie der Weihnachtsmann. Er begann seine Ansprache mit einem Witz, mit dem er seinen Schäfchen vermutlich die Berührungsängste nehmen wollte, denn im Anschluss forderte er sie auf, am 24. Dezember in die Kirche zu kommen. Mit dem Witz des Pfarrers möge diese Kolumne enden – wer mehr davon will, muss am Heiligabend in die Karower Christmette gehen.

"Maria!", rufen die Holzfäller im Chor

Hier der Witz: Eines Tages kündigt der Papst an, eine Holzfällertruppe zu besuchen. „Jungs“, schärft der Chef vorher den Waldarbeitern ein, „wenn der Papst euren Glauben prüfen will, wird er euch fragen, wie Jesus’ Mutter hieß. Am besten, ihr schreibt euch die Antwort auf eure Sägen.“ Gesagt, getan – und tatsächlich fragt der Papst nach dem Namen der Gottesmutter. „Maria!“, rufen die Holzfäller im Chor. „Ganz recht“, sagt der Papst. „Und jetzt sagt mir noch, wie die beiden Schurken hießen, die zusammen mit Jesus gekreuzigt wurden.“ Ratlos starren die Holzfäller auf ihre Sägen. „Ich weiß es!“, ruft einer. „Black und Decker!“

Fläche: 6,65 km² (Platz 56 von 96)
Einwohner: 19 226 (Platz 56 von 96)
Durchschnittsalter: 42,7 (ganz Berlin: 42,7)
Lokalpromis: Martin Pfannschmidt (Ortschronist), Gabriele Seyfert (Eiskunstläuferin)
Gefühlte Mitte: Dorfkirche
Alle Folgen: tagesspiegel.de/96malberlin

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