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Zahlen bitte. In vielen Toilettenanlagen werden die Benutzer aufgefordert, einen Obolus zu entrichten.

© Thilo Rückeis

Urteil des Sozialgerichts: Das Geschäft mit dem Geschäft

Toilettenfrauen bewachen doch nur das Trinkgeld, sagt die Unternehmerin. Das Sozialgericht meint: Nein – und das hat nun Folgen.

Was machen eigentlich Toilettenfrauen den ganzen Tag? Das fragt sich mancher Benutzer von WCs in Kaufhäusern, Restaurants oder Raststätten auch, wenn die Anlagen mal wieder nicht so richtig proper sind, aber trotzdem der obligatorische Trinkgeldteller bereitsteht und auf einen Obolus wartet.

Die Inhaberin einer Berliner Reinigungsfirma gab jetzt darauf vor dem Sozialgericht eine Antwort: Sie bewachen das Trinkgeld! Zu 75 Prozent ihrer Arbeitszeit seien sie eben genau damit beschäftigt, argumentierte die Unternehmerin. Die Toilettenfrauen handelten quasi wie Automaten. Die Reinigungstätigkeit sei nur von untergeordneter Bedeutung. Das wiederum würden Nutzer aus ihren subjektiven Erfahrungen heraus in manchen Fällen durchaus bestätigen.

Das Berliner Sozialgericht wollte dieser Auffassung allerdings nicht folgen. Es hatte über einen Fall zu urteilen, in dem das Reinigungsunternehmen für die Jahre 2005 und 2008 Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von rund 118 000 Euro an die Deutsche Rentenversicherung Bund nachzahlen sollte. Die Firma hatte ihren 23 Toilettenfrauen – die meisten von ihnen Rentnerinnen – nur einen Stundenlohn zwischen 3,60 und 4,50 Euro statt dem im Reinigungsgewerbe vorgeschriebenen Mindestlohn von rund acht Euro und entsprechende Sozialabgaben gezahlt. Die Rentenversicherung forderte Beiträge für die Lohndifferenz nach. Dagegen klagte die Unternehmerin, da diese Nachforderung für ihren kleinen Betrieb „existenzvernichtend“ sei. Für ihre Toilettenfrauen gelte der Mindestlohn ohnehin nicht, da sie die meiste Zeit ja nicht putzten. Außerdem übernähmen andere Mitarbeiter oder eine speziell beauftragte Firma die Grundreinigung.

Auf den konkreten zeitlichen Umfang der Reinigungstätigkeit kommt es aber nach Auffassung des Gerichts nicht an. Das Unternehmen habe sich in seinen Verträgen dazu verpflichtet, die Toiletten in einem sauberen Zustand zu halten oder laufend zu reinigen. „So wie ein Arzt, der nachts Bereitschaftsdienst leistet, Arzt bleibe, bleibe eine Reinigungskraft, die sich zur Beseitigung neuer Verschmutzungen bereithält, eine Reinigungskraft“, hieß es in einer Erklärung des Gerichts. Der Mindestlohn sei also anzurechnen; das Unternehmen muss die Versicherungsbeiträge nachzahlen. Die Firma kann gegen das Urteil in Berufung gehen.

Übrigens, die Toilettenfrauen profitieren von diesem Urteil erst einmal nicht, auch wenn das Gericht ihre Löhne für nicht rechtmäßig erklärt. Aber Löhne sind das eine und die Sozialversicherung das andere – nur für diese ist das Sozialgericht zuständig. Um mehr Geld zu bekommen, müssten die Frauen versuchen, ihre Forderungen beim Arbeitsgericht durchzusetzen.

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