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Ein Gesetzesbuch zum Strafrecht

© dpa

Urteil gegen Raser: Empörung über Bewährungsstrafe

Das milde Urteil gegen einen Todesraser stößt auf großes Unverständnis. Doch Justizexperten sagen, dass Berliner Richter nicht lascher entscheiden als andere. Die Verkehrsrechtsprechung sei in den letzten Jahren sogar verschärft worden.

Von Fatina Keilani

Das Urteil vom Mittwoch erscheint mild, und viele Tagesspiegel-Leser reagierten verständnislos: Eine junge Frau ist tot. Totgefahren von einem Raser ohne Führerschein, und dafür gibt es nur eine Bewährungsstrafe? Und das auch noch als Ergebnis eines Deals? Dass die 20-jährigen Zwillinge Miriton und Egzon C. nicht ins Gefängnis müssen, löste Unverständnis aus. Eins wird dabei leicht vergessen: Ohne den Deal wären die beiden wohl freigesprochen worden. Da sie nahezu gleich aussehen, wäre die Tat nicht einem eindeutig zuzuordnen gewesen.

„Deal“ nennt man es, wenn sich das Gericht mit den Beteiligten über das Ergebnis des Verfahrens verständigt – wie hier, dass der Angeklagte gesteht und nicht in Haft muss. Praktiziert wurde die „Verständigung im Strafverfahren“ schon länger; seit 2009 ist sie auch gesetzlich geregelt. Sinn ist meist, den Opfern und Zeugen sowie dem Gericht eine aufwendige Beweisaufnahme zu ersparen. Sonst müssten mitunter viele Zeugen geladen werden, das Opfer durchlebt die Schrecken der Tat erneut, und das Gericht wird lange nicht fertig mit der Aufklärung. Im Fall der Zwillinge hat dieses Verfahren die Verurteilung überhaupt ermöglicht. „Es spricht vieles dafür, dass es ohne den Deal zu einem Freispruch gekommen wäre“, sagt Gerichtssprecher Tobias Kaehne. Dass das Urteil recht mild ausfiel, sei vor allem dem Geständnis zuzuschreiben: „Wenn mich 17 Zeugen belasten und ich bei der Tat gefilmt wurde, hat das Geständnis kaum Wert. Im Fall der Zwillinge hatte es großes Gewicht.“

Sind Berlins Strafrichter zu lasch? Erst kürzlich schilderte eine Leserin auf der Leserbriefseite den Tod ihrer Tochter, die vor 16 Jahren auf der Potsdamer Straße durch einen betrunkenen Autofahrer so schwer verletzt wurde, dass sie starb. Die Mutter beklagte, dass Trunkenheit schuldmindernd gewertet werde. Der Fahrer bekam zwei Jahre auf Bewährung. Heute wäre das wahrscheinlich anders. „Die Rechtsprechung ist strenger geworden“, sagt Kaehne. Auch ADAC-Verkehrsjurist Markus Schäpe sieht das so. Fahre ein Erwachsener im Suff jemanden tot, führe am Gefängnis selten ein Weg vorbei. „Das Strafmaß im Zwillingsfall ist nicht absonderlich gering – es wäre in Süddeutschland womöglich auch nicht höher ausgefallen“, sagt Schäpe. Man müsse sich aber jeden Fall einzeln anschauen, da sind sich Kaehne und Schäpe einig.Fatina Keilani

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