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Mieter Daniel Dagan hat vor dem Bundesgerichtshof nun Recht bekommen.

© dapd

Urteil: Weniger Miete wegen Touristenlärms

Allein wegen Feriengästen in den Nachbarwohnungen kann man zwar noch kein Nachlass erwarten - wenn die Besucher aber ständig laut sind, dürfen Anwohner auch Geld einbehalten.

Werden Mieter in ihrem Haus durch Nutzer von Ferienwohnungen gestört, können sie ihre Miete mindern. Nach einem Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) in Karlsruhe berechtigt das bloße Vermieten von Nachbarwohnungen an Touristen allerdings noch zu keiner Mietkürzung. Wenn aber Lärm oder Schmutz durch ein- und ausziehende Gäste „übermäßig“ werden, steht Anwohnern eine Minderung zu, befanden die Richter.

Anders, als das Berliner Landgericht in der Vorinstanz befand, muss ein Mieter laut BGH dafür kein exaktes Protokoll der Belästigungen führen. Karlsruhe hob das Urteil der Berliner Richter auf: Es genüge, ungefähre Tageszeiten und Häufigkeit der Störungen anzugeben. Der Fall wurde an das Landgericht zurückgewiesen, das nun über die genaue Höhe des Mietnachlasses befinden muss.

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs hatten Daniel Dagan und vier weitere Mieter eines Wohnhauses in der Wilhelmstraße in Mitte erwirkt. Der Journalist Dagan hatte wegen ständiger Beeinträchtigungen 20 Prozent der Miete behalten und wurde dafür von den Eigentümern verklagt. Auch der Bezirk wollte dort mehr Ruhe.

Dagegen führte Dagan an, zehn von 21 Wohnungen im Haus würden an Reisende vermietet. Im Treppenhaus stünden Wäscheboxen, Touristen kämen zu allen Zeiten. „Doch kein Concierge zeigt den Gästen ihre Wohnung, weshalb diese auch spät abends noch an unseren Türen klingeln und wir helfen müssen“, sagte Dagan. Auch würden die Zimmer mit Betten überfrachtet. „Erst vor wenigen Tagen kam eine Gruppe von rund 20 Gästen, die eine einzige Wohnung für nur eine Nacht gebucht hatte.“ Sie hätten lautstark gefeiert, wobei er verstehen könne, wenn sich Touristen amüsieren wollten: „Ich gebe nicht den Gästen die Schuld an der Misere, sondern der Stadt Berlin, die so einen illegalen Hotelbetrieb in einem Wohnhaus toleriert“, sagte Dagan.

Das Haus in der Wilhelmstraße wurde 2005 von einer Wohnungsgesellschaft gekauft, seit 2007 werden möblierte Appartements an Touristen vermietet. Seitdem gibt es Beschwerden, einige Mieter kürzten ihre Warmmiete von rund 1000 Euro monatlich zunächst um 15 Prozent, später um 20 Prozent. Inzwischen wollen einige 30 Prozent Nachlass. Doch die von ihnen als Grund angegebenen übermäßigen Störungen seien nicht ausreichend belegt worden, hatte das Landgericht Berlin geurteilt. Der BGH wies darauf hin, dass Dagan und Co. auf mehr als 100 Seiten Störungen aufgeführt hätten.

Ob das Urteil massenhaft Auswirkungen haben wird, ist ungewiss. Vom Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU) hieß es am Mittwoch, das Urteil sei lediglich eine Klarstellung zu Beweisanforderungen bei der Darlegung von Mietmängeln. „Ob Mängel vorliegen und in welcher Höhe sie eventuell zu Mietminderung berechtigen, bleibt aber weiter Gegenstand von meist langwierigen Einzelverfahren vor Gericht“, sagte BBU-Vorstand Maren Kern. „Insofern erwarten wir von diesem Urteil keine nennenswerten Auswirkungen.“ Ähnlich sieht dies Dieter Blümmel von der Eigentümervereinigung Haus und Grund. „Das Gericht hat klar gesagt, Ferienwohnungen im Haus sind an sich kein Grund, die Miete zu mindern.“ Das Mieter nun etwa Lärm nicht mehr so detailliert nachweisen müssten, ändere keine Rechtsgrundsätze. Allerdings könnten Vermieter versuchen, Ferienwohnungen in bestimmten Häusern zu konzentrieren, um reguläre Mieter nicht zu belästigen.

Schätzungen zufolge dürfte in Berlin nur jeder zweite Nachbar einer Ferienwohnung tatsächlich so massiv gestört werden, dass sich eine Klage um Mietminderung für ihn lohne. Hausbesitzer und Juristen sagten am Mittwoch, nach wie vor müsse in jedem Einzelfall begründet werden, warum eine Ferienwohnung störe. Und so begrüßt man beim Mieterverein zwar das Urteil. „Aber Ferienwohnungen bleiben problematisch“, sagte Geschäftsführer Reiner Wild. Mieter wollten angenehme Nachbarschaft und nicht vor Gerichten um kommerziell genutzte Wohnungen streiten. „Letztlich hilft nur ein Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum“, sagte Wild. Stadtentwicklungssenator Michael Müller (SPD) hatte kürzlich ein solches Verbot angekündigt. Dem Vernehmen nach soll die Verordnung nur für die Innenstadt gelten. Koalitionspartner CDU ist wie die Hauseigentümer bislang gegen ein Verbot.

Eine Sprecherin von Senator Müller sagte, man prüfe nun, inwiefern sich das BGH-Urteil auf einen Versuch des Bezirksamtes Mitte auswirkt: Vergangenen November hatte die Bauabteilung von Stadtrat Carsten Spallek einem Eigentümer eines Gebäudes in der Wilhelmstraße untersagt, elf Wohnungen regelmäßig an Touristen zu vermieten, und mit einem Zwangsgeld von 10 000 Euro gedroht. Das Verwaltungsgericht hatte das Begehren in einem Eilverfahren zwar gestoppt. Die Hauptverhandlung um die angestrebte Nutzungsuntersagung aber steht noch an. Voriges Jahr besuchten 9,8 Millionen Touristen Berlin. Inzwischen dürfte es neben Hotels bis zu 15 000 Ferienwohnungen geben. (mit dapd)

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