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Berlin: Uwe Bergmann, geb. 1958

Ein "Luftikus" plant sein Leben nicht. Er schaut mal hier, mal da.

Ein "Luftikus" plant sein Leben nicht. Er schaut mal hier, mal da. Regelmäßigkeit ist ein Fremdwort. Uwe Bergmann liebte es zu leben. Sein Gesicht mit den Augenrändern - ein Buch. Sein Bauch, der sich unterm Hemd wölbte - deutliches Zeichen, wie fern ihm der Fitnesswahn lag.

Die späten sechziger Jahre in Hermsdorf sind idyllisch. Uwe und Bernd, sein zwei Jahre älterer Bruder, leben mit ihren Eltern in einem schmucken Einfamilienhaus mit Garten am Stadtrand. Oben haben die Brüder einen ausgebauten Dachboden ganz für sich. Manchmal verbringen sie dort die Nacht, um laut Musik hören oder ungestört ausschlafen zu können. Halmdünn und hellblond in Trainingshosen und Turnschuhen streifen sie gemeinsam durch die Nachbarschaft. Im Freizeitheim holen sie sich ab und zu eine Cola, danach wird gebolzt auf der Wiese. Aus alten Holzbrettern bauen sie eine Hütte. Hier nehmen sie den ersten, heimlichen Zug an der Zigarette. Ihren Vater Theodor sehen sie meist nur am Wochenende. Und da regiert König Fußball das Leben der Bergmanns. Als Vorsitzender von Wacker 04 opfert der Vater die knappe Freizeit für den Club. Derweil kicken seine Jungs bei Punktspielen am Wochenende beim Frohnauer SC.

Der gemeinsame Italien-Urlaub endet am Endpieltag der Weltmeisterschaft 1966. Der Vater düst mit dem Fuß auf dem Gaspedal aus Rimini nach Hause. Drei Minuten vor dem Anstoß des legendären Spiels Deutschland - England sitzen die drei Bergmänner beglückt vor dem Fernseher. Das Glück dauert bis zur elften Verlängerungsminute: Nach dem Wembley-Tor herrscht Trauer. Mutter Ilse muss die Koffer alleine aus dem Auto in die Wohnung schleppen.

Für Bernd ist Fußball das Leben. Vielleicht wird er später Profi. Uwe nimmt das alles nicht so ernst. Mal ist er für den HSV, dann wieder nicht. Mal kämpft er auf dem Platz, ein anderes Mal kommt es ihm nicht so drauf an. Während sein Bruder vor Punktspielen am Wochenende um zehn ins Bett geht, feiert Uwe die Nächte durch. Er qualmt, er trinkt, er bandelt mit den Mädchen an. Manchmal hat er drei Freundinnen gleichzeitig. Einmal erzählen sich zwei Mädels aus der Nachbarschaft im Café gegenseitig, dass sie einen neuen Freund haben, der ihretwegen seine vorherige Beziehung beendet hat. Dann kommt Uwe zur Tür rein, und beide deuten auf ihren neuen Freund. Uwe sagt: "Hey Mädels", gibt jeder ein Küsschen auf die Wange und verschwindet.

Seine Lehre macht Uwe bei der Sparkasse. Bernd studiert Versorgungstechnik. Dass beide später beim Vater in der Sanitärfirma einsteigen würden, steht schon lange fest.

Bei aller Lebenslust: Das Familien-Unternehmen liegt Uwe am Herzen. Wenn er die Nacht zuvor durchgesoffen hat, sitzt er dennoch am nächsten Morgen mit ein paar Aspirin und einer Currywurst an seinem Schreibtisch. Als bei der Abrechnung eines Abends 3 Mark 17 in der Kasse fehlen, wird Uwe fast wahnsinnig. Wo liegt der Fehler? Sein Bruder knallt ihm nach stundenlanger Rechnerei 3 Mark 20 auf den Tisch. Uwe befriedigt das nicht. Er sucht den Fehler die ganze Nacht, bis er ihn gefunden hat.

Später, er ist jetzt Junior-Chef, lässt sich Uwe in der Freizeit am liebsten im Porsche den Fahrtwind um die Ohren sausen. Oder er brettert mit seiner Frau Angela und Sohn Benny im eigenen Motorboot rund um Mallorca. Privat sehen sich die Brüder nur noch selten. Und wenn, dann streiten sie, welcher Whiskey besser schmeckt: Uwe liebt Bourbon, sein Bruder Scotch.

Als sich Uwe scheiden lässt, bleibt der Sohn bei ihm. Bei seinem Vater kann er nach Hause kommen, wann und mit wem er will. Zusammen führen sie einen richtigen Männerhaushalt. Uwe muss jetzt kochen - und findet das richtig gut. Mit diversen Töpfen kommt er einmal ins Büro und tischt den Angestellten sein selbstgemachtes Gulasch auf.

Manchmal trifft sich Uwe, der Kettenraucher und Vielfeierer, zum Tennis-Doppel mit Kollegen. Beim letzten Mal peitscht er den Ball übers Netz und fällt plötzlich um. Herzversagen. Dabei war er kurz zuvor noch beim Arzt. Das Einzige, was er regelmäßig getan hat.

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