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Berlin: Väter schulden den Bezirken mehr als 130 Millionen Mark

Ausbleibender Unterhalt: Jugendämter schießen vor, aber bekommen nur wenig zurück VON JENS ANKER UND CHRISTOPH STOLLOWSKY Berlin.Jeden Monat schießt das Land Berlin 9,7 Millionen Mark Unterhalt an Kinder vor.

Ausbleibender Unterhalt: Jugendämter schießen vor, aber bekommen nur wenig zurück VON JENS ANKER UND CHRISTOPH STOLLOWSKY

Berlin.Jeden Monat schießt das Land Berlin 9,7 Millionen Mark Unterhalt an Kinder vor.Die zahlungspflichtigen Väter erstatten nur 1,7 Millionen Mark zurück.Die fehlenden 8 Millionen Mark gehen zu Lasten des Berliner Haushaltes.Insgesamt erhalten nach Angaben der Jugendverwaltung 59.000 Kinder in der Stadt Unterhalt von den Bezirksämtern.Neben zahlungsunfähigen und -unwilligen Vätern ist es vor allem die knappe Besetzung der Bezirksämter, die das Defizit auf jährlich 130 Millionen Mark wachsen läßt. Zwar hat das Abgeordnetenhaus Anfang des Jahres beschlossen, "mit dem Ziel aktiv zu werden, die Einnahmen für verauslagte Unterhaltsleistungen wegen Nichtzahlung des anderen Elternteils zu steigern", doch geschehen ist bislang wenig.Die BündnisGrünen haben jetzt einen Antrag ins Abgeordnetenhaus eingebracht, in dem der Senat aufgefordert wird, das Personal in den Bezirken zu erhöhen."Die Väter ziehen sich auf Kosten des Staates zurück.Das kann nicht im Sinne des Erfinders sein", sagt die familienpolitische Sprecherin der Bündnisgrünen, Elfi Jantzen. Auch wenn der Unterhaltsanspruch zweifelsfrei geklärt ist, besteht die Gefahr, daß Mütter auf das Geld zunächst verzichten müssen.17 Jahre lang dauerte es in einem Fall, einen Zwangsvollstreckungsauftrag des Amtsgerichts Wedding an den zahlungspflichtigen Vater zuzustellen.Die Frauenbeauftragte von Zehlendorf, Jutta Arlt, rät verzweifelten Frauen mittlerweile, die Dienste eines Detektives in Anspruch zu nehmen.Doch nicht nur Alleinerziehende haben Probleme mit säumigen Unterhaltszahlern.Auch die Jugendämter der Bezirke setzen sich mit ihnen auseinander, wenn sie anstelle des Vaters wenigstens den Mindestunterhalt zahlen und später oft ergebnislos versuchen, diesen Vorschuß wieder zurückzuklagen.Durchschnittlich erhalten die Kinder auf diesem Wege zur Zeit je nach Alter einen monatlichen Unterhalt von 214 bis 280 Mark.Unterm Strich brachten Berlins Bezirke dafür im vergangenen Jahr rund 160 Millionen Mark auf.Mehr als 130 Millionen Mark bleiben die Väter schuldig.Allein dem Bezirksamt Steglitz gingen sieben Millionen Mark verloren. Personalnot, fehlende EDV-Hilfen zum schnellen Errechnen von Ansprüchen und mangelnde juristische Kenntnisse sind die Hauptursachen.Andererseits nimmt die Schar der Anspruchsberechtigten durch die wachsende Zahl von Alleinerziehenden drastisch zu.Und auch die Folge einer Gesetzesänderung im Jahre 1993 hat dazu kräftig beigetragen.Denn zuvor mußten die Ämter nur für Kinder bis zum sechsten Lebensjahr maximal drei Jahre lang Unterhaltsvorschüsse zahlen.Heute werden Kinder bis zum zwölften Lebensjahr, doppelt so lange, unterstützt.Erst danach springen die Sozialämter mit ihren Leistungen in die Bresche.Doch auch diese Unterhaltsvorschüsse aus Mitteln der Sozialhilfe werden nur zu rund 15 Prozent wieder eingetrieben. "Den Bezirken fehlt eindeutig Personal", heißt es bei der Senatsjugendverwaltung.Eine Umfrage des Tagesspiegels unter Jugendstadträten bestätigt das.In Neukölln beispielsweise würden vierzehn Mitarbeiter gebraucht, doch es gibt nur acht.Daß mehr Personal sich bezahlt machen würde, beweisen Erfolge in Köpenick: Dort wurden schon vor längerer Zeit mehr Mitarbeiter auf säumige Väter angesetzt.Sie erreichten inzwischen eine Rückzahlungsquote von 41 Prozent.50 Prozent lassen sich nach Ansicht von Fachleuten bestenfalls erreichen. Fünf Mal sprach der Gerichtsvollzieher in den vergangenen zwei Jahren beim Berliner Unternehmer Hilmar H.vor.Jedes Mal zog er unverrichteter Dinge wieder davon.Nicht, daß er den Vater nicht antraf.Der Pfändung widersprach der Geschäftsmann stets mit der Begründung, es handele sich nicht um seine Meldeadresse.Pfänden kann der Gerichtsvollzieher aber nur dort.Seit 17 Jahren versucht die Justizverwaltung einen "Zwangsvollstreckungsauftrag" aus dem Jahr 1980 gegen H.durchzusetzen.Mittlerweile schuldet der 52jährige seinem unehelichen Sohn knapp 100 000 Mark.Die Justizverwaltung schrieb der Mutter, nachdem sie sich über das langwierige Verfahren beschwerte, "wir können Ihre Enttäuschung darüber, daß eine Vollstreckung des Urteils bislang erfolglos geblieben ist, nachvollziehen.Leider handelt es sich hierbei nicht um einen Einzelfall." Wenn Gläubiger nicht an ihr Geld kommen, aber wissen, daß der Schuldner über welches verfügt, sei es für die Behörden schierig zu pfänden, sagt Justizsprecherin Corinna Bischoff."In solchen Fällen bietet sich an, einen Detektiv zu beauftragen, der die Wege des Schuldners über längere Zeit verfolgen kann".Das könnten Gerichtsvollzieher nicht leisten.So geschah es auch im vorliegenden Fall.Vergangene Woche gelang es endlich einen Bruchteil des Geldes bei H.zu pfänden, nachdem eine eidesstattliche Versicherung den Meldeschwindel öffentlich gemacht hatte.Der beste Weg Unterhalt zu bekommen sei, Kontakt zum Vater zu halten, rät Rechtsanwältin Gisela Lindemann-Hinz vom Verein für humane Trennung und Scheidung.Wenn es doch immer so einfach wäre...

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