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Zum Fürchten. Der Film „Wir sind die Nacht“ wurde unter anderem im Plänterwald gedreht, eine Hauptrolle spielt Nina Hoss.

© Promo

Vampirfilme: Berliner sind die besseren Monster

Twilight ist überall: Filmemacher haben die Stadt als ideale Kulisse für Vampirfilme entdeckt.

Sie sind mitten unter uns – untot. Und sie gehen auf Menschenjagd. Schon wieder haben Filmemacher die Stadt von einer neuen Seite entdeckt, nach Katastrophenstreifen und Liebesschnulzen lassen sie nun Monster über Berlin herfallen. In dem am Donnerstag gestarteten „Rammbock“ greifen Zombies an. In „Wir sind die Nacht“ mit Nina Hoss, der Ende Oktober in die Kinos kommt, machen weibliche Vampire die Clubs unsicher. Gerade wurde der Geister-Horrorfilm „Zimmer 205“ in leer stehenden Pankower Klinikgebäuden gedreht, erst im letzten Jahr meuchelte sich Zombie Otto durch die Straßen. Andere deutsche Städte? Für die Macher dieser Streifen uninteressant.

„Ohne Berlin wäre der Film nicht möglich gewesen. Die Stadt bietet unfassbare Locations“, sagt Dennis Gansel. Der 36-Jährige ist der Regisseur von „Wir sind die Nacht“, der deutschen Antwort auf den Twilight-Hype. Seine Vampire sind vier Mädchen – jung, reich, sexy. Die Nächte verbringen sie in Berliner Clubs. Locations finden die Filmemacher genug. Aus dem ehemaligen Stadtbad Lichtenberg wird eine Techno-Disco, das Haus Cumberland am Ku’damm muss als Hotel herhalten. Spreepark, U-Bahnhof Schlesisches Tor, Tiergartentunnel und Sozialpalast. Gansel nimmt seine Zuschauer mit auf einen Kurztrip durch die Stadt und zeigt, was ihn seit seinem ersten Berlinbesuch 1996 nicht mehr losgelassen hat. Da faszinierte ihn das Unfertige, die illegalen Partys, der Leerstand. „Den Spirit von damals wollte ich auf heute übertragen. Wenn ich ein Vampir wäre, würde ich in Berlin leben“, meint Gansel, der in Friedrichshain zu Hause ist. Der Showdown des Films wurde auf den Teufelsberg verlegt. Die moderne Ruine faszinierte Gansel bei der Besichtigung. Nachts hellwach, tagsüber schlafen: Die Gemeinsamkeiten von Clubgängern und Vampiren sind eindeutig. Das Nachtleben sei anonym, oberflächlich und auch kaputt, charakteristisch für viele Menschen in Berlin, sagt Gansel. Die Zugezogenen etwa. Saugen die Stadt aus wie Vampire, verändern sie aber positiv. „Ein Geben und Nehmen“, meint der Regisseur, der aus Hannover stammt. Arm und reich, schön und hässlich, ruhig und laut. Berliner sind eben die besseren Monster.

„Hier leben große Mengen an Menschen, die auch mal ruppig sind. Hier schlummert eine Grundaggression“, sagt der Wiener Marvin Kren, 30. Sein Debütfilm „Rammbock“ spielt in einem Hinterhof im Kreuzberger Bergmannkiez, im Eckhaus an der Kreuzung Kopisch-/Willibald-Alexis-Straße. Protagonist Michael kommt nach Berlin, um seine Ex-Freundin zurückzuerobern, stößt aber nur auf eine Horde Zombies. Einen Blick auf die brennende Stadt bekommen er und die Zuschauer nur einmal vom Dach eines Eckhauses. In Berlin könne eben alles passieren, meint Kren. „Die Stadt ist auch eine Verkaufsmarke. Alle Welt spricht von ihr.“ Der Berliner Filmwissenschaftler Rolf Giesen geht noch einen Schritt weiter: Überspitzt könne man sagen, Berliner sind Zombies. „Die toten Augen in der U-Bahn, manche Menschen sehen aus wie Zombies.“

Das fand auch der kanadische Regisseur Bruce LaBruce. Im vergangenen Jahr ließ er den schwulen Untoten Otto im Speckgürtel der Stadt auferstehen und nach Berlin trampen. Der heuert bei einer Filmproduktion an und spielt, natürlich, in einem Horrorfilm mit. „Otto or, Up with Dead People“ führt den Zuschauer an die bekannten Orte: in den Spreepark, ans Schlesische Tor, in den sanierten Osten, ans mittlerweile abgebrannte Papierlager in der Köpenicker Straße in Kreuzberg.

Bisher blieb die Stadt von Monstern weitgehend verschont. Für einen kurzen Werbefilm in den 80er Jahren kletterte ein Affenmensch in King-Kong-Manier die Gedächtniskirche hoch. Massentaugliche Filme außerhalb der kleinen Horrorfilmszene gab es aber nicht. Die Deutschen wollten keine Zombies aus dem eigenen Land, deutsche Horrorfilme fanden sie meist peinlich.

Das könnte sich ändern. Endlich wachse wieder eine Generation heran, die Lust auf den fantastischen Film hat, sagt Kren. Als idealer Horrordrehort gilt Berlin auch in Hollywood. Der Regisseur von „Resident Evil – Genesis“ ließ seine Zombies 2001 im zukünftigen U-Bahnhof Reichstag und in Potsdam toben.

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