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Velotaxis: Strampeln um die ganze Welt

Fahrrad-Rikschas aus Berlin sind zum Exportschlager geworden In 53 Ländern sind Velotaxis unterwegs – der Gründer macht heute lieber Yoga.

Velotaxophil sind besonders Japan, Frankreich und Spanien. Weniger gut läuft es in Österreich. Dort zieren sich die Männer einzusteigen, erzählt Velotaxi-Chef Anselm Franz. Die Chinesen – das war zu erwarten - haben die Velotaxen raubkopiert, aber das sei wegen der horrenden Qualitätsmängel kein wirkliches Problem.

Das Velotaxi, die Fahrrad-Rikscha aus Berlin, ist 13 Jahre nach seiner Erfindung ein weltweiter Markenartikel geworden. In 53 Ländern sind die umweltfreundlichen Tretfahrzeuge unterwegs, als Touristen-Vehikel oder Shuttleservice für Messebesucher. Selbst den Schienenersatzverkehr der BVG durften die City-Radler schon mal erledigen. Die Technik wurde erheblich verfeinert. Jedes Velotaxi hat inzwischen einen elektrischen Hilfsmotor, einige werden von einer Brennstoffzelle gespeist, andere durch Solarenegie. Pro Jahr verlassen 150 bis 250 neue Velotaxis die Produktionshalle in Lichtenberg – zum Stückpreis von 10 000 Euro.

Die Rikscha aus Berlin nötigt besonders den Japanern Respekt ab. Endlich haben die Deutschen mal was Asiatisches kopiert und anschließend damit die Welt beglückt. 145 Velotaxen fahren in Tokio und anderen Großstädten. Die Franzosen finden die Idee witzig, „die Fahrer gehen aber schlecht mit der Technik um“, erzählt Franz. Und in Saudi-Arabien gibt es Probleme mit den Werbepartnern. Die möchten nicht, dass die Arbeitsmigranten aus Pakistan die Velotaxen steuern. Das ist schlecht fürs Image. Die Saudis sind sich für diesen Job zu fein.

Der geistige Vater der modernen Fahrrad-Rikschas, Ludger Matuszewski, hat das Unternehmen inzwischen verlassen. „Es hat ihn überrollt“, versucht Franz den Weggang zu erklären. Matuszewski habe das Unternehmen „eher studentisch“ gesehen und nach außen das Image des kreativen Freaks gepflegt. Die Business-Profis Franz und sein Partner Stefan Kruschel kümmerten sich unterdessen um die geschäftlichen Details. „Wir wurden immer stärker, haben mehr Kraft reingesteckt. Das hat ihn irritiert.“ Irgendwann hieß es dann: „Er oder wir“. Matuszewski ist nur über die Internetplattform Facebook zu erreichen. Er möchte sich nicht zu seinem Weggang äußern. Nur soviel: „Meine Art, die Welt zu sehen und daran teilzunehmen, ist sicher eine ganz andere als die eines Herrn Franz.“ Unterschrieben ist die Mail mit „Yogi Ludger“.

Anselm Franz kann mit Yoga und indischer Meditation nicht viel anfangen. „Ich wollte immer arbeiten.“ Er stammt aus Prenzlauer Berg, der Vater Medizin-Professor, die Mutter Pharmazeutin. Gleich nach dem Abitur fing Franz ein Studium an, Verfahrenstechnik in Leipzig, die Diplomarbeit bei Lufthansa in Frankfurt, danach Umweltingenieur bei einer Tochterfirma des Stromkonzerns RWE, nebenher Promotion. Für ein Projekt in Prag buchte Franz im Jahr 2000 zehn Velotaxen, lernte Matuszewski kennen und merkte, dass „er das nicht profimäßig betreibt“. Ein halbes Jahr später übernahm Franz den Vertrieb der Velotaxen und gründete eine neue Firma für die Produktion.

Trotz Präsenz „auf allen fünf Kontinenten“ ist Velotaxi ein kleines Unternehmen geblieben, mit einem Jahresumsatz von vier Millionen Euro und derzeit 18 Mitarbeitern in der alten Backfabrik an der Prenzlauer Allee. Hier werden Werbekampagnen weltweit koordiniert und neue Kooperationspartner gesucht. Jeder Velotaxi-Anbieter ist selbstständiger Unternehmer. Er kauft die Fahrzeuge und vermietet sie als Werbefläche im Stadtverkehr oder als Promotion-Vehikel auf Veranstaltungen. Die Fahrer zahlen nur eine geringe Tagesmiete – in Berlin sind es zwischen fünf und zehn Euro. Das Fahrgeld dürfen sie komplett behalten.

Anselm Franz sieht seine Firma zunehmend als Werbeagentur, die Budgets für Unternehmen verwaltet und umsetzt. Für die BSR hat Velotaxi, das inzwischen zur „Veloform Media“ umbenannt wurde, den Bereich Merchandising übernommen. Weitere Werbeträger sind hinzugekommen: die „BBox“, ein runder Kiosk, der je nach Kundenwunsch zur Eisdiele oder Aussichtsplattform ausgebaut werden kann. Einige stehen auf dem Tempelhofer Flugfeld. Im August steigt dann die Velotaxi-Weltmeisterschaft mit Fahrern aus 40 Ländern im Olympiastadion. Velotaxi-Fahren ist für den Werbeprofi Franz der „internationale Trendsport“ schlechthin.

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