zum Hauptinhalt
velothon

© ddp

Velothon: Auf die schnelle Tour

Die Spitzenfahrer beim Velothon schafften Tempo 43. Den meisten Teilnehmern war aber das Vergnügen wichtiger.

Ein 20er-Durchschnitt war das geforderte Minimum, aber was an diesem Sonntagmorgen um kurz vor zehn von der Oberbaumbrücke Richtung East Side Gallery surrt, ist mindestens doppelt so schnell. Bunt wie Tropenvögel fliegen sie auf ihren ultraleichten Hightech-Schockern durch die Stadt, beim ersten Berliner „Velothon“ für Jedermann. Das marathonmäßige Getrommel des Publikums am Straßenrand dringt bis in die U-Bahn, die an diesem Tag besonders lahm wirkt.

Ab 9 Uhr sind die 10 000 Teilnehmer gestartet, schon vor halb elf rauschen die Schnellsten durchs Ziel. Sofern sie nicht die lange Runde gebucht haben, die weiter nach Hennigsdorf führt und aus 60 Kilometern 105 macht. Das schaffen die Schnellsten in 2,26 Stunden, die Spitzenfrauen wie die Männer. Durchschnittstempo: 43 km/h!

Aber den meisten geht es weniger darum als um das Erlebnis selbst. Nummer 12 887, das rot-weiße Dress aufs Fahrrad abgestimmt, strahlt noch lange nach dem Zieleinlauf auf der Straße des 17. Juni: Dirk Rapphahn, 37, ist extra aus Anklam in Vorpommern angereist. „Spitze, einwandfrei“, sagt er. „Die Leute, das Wetter, die Stimmung – genau so hab’ ich’s mir vorgestellt.“ Er trainiert seit zwei Jahren und ist mit seinem 30er-Schnitt zufrieden. Gleich wird das Glück komplett, denn auf der anderen Seite des Brandenburger Tores wartet seine Frau.

Warten und/oder die grünen Teilnehmerrucksäcke bewachen – das ist das häufigste Damenprogramm an diesem Tag. Denn 90 Prozent der Fahrer sind männlich. Aber die meisten Frauen sehen zufrieden aus. Oder sie sind beschäftigt wie jene ältere Dame, die eilig ein Schild mit der Aufschrift „Super Dexia Team“ durchs Regierungsviertel trägt. In jenem Team fährt ihr Sohn mit, dem sie und ihr Mann heute schon an drei verschiedenen Stellen zugejubelt haben. Eine logistische Meisterleistung. BVG und S-Bahn sei Dank, sagen die beiden und eilen weiter zur Zielgerade.

Da wäre Thomas Poege jetzt auch gern. Aber bei Kilometer 48 hat ihm „eine Mörder-Kante“ in der Baustelle am Alex beide Reifen geplättet. Nun stolpert der 41-jährige Magdeburger mit seinen Klick-Klack-Schuhen zur S-Bahn, schimpft über die „konkurrenzlos schlechten Straßen in Berlin“ – und tröstet sich damit, dass die Organisation super gewesen und er nicht gestürzt sei.

Die Veranstalter berichten später erleichtert von nur 14 Rettungswagen-Einsätzen und höchstens mittelschwer Verletzten. Der Verkehrsdienst der Polizei weiß von Staus rund um den Jakob-Kaiser-Platz. Aber bei Radlern und Zuschauern ist die Stimmung so, dass man sich fragt, warum es so ein Rennen in Berlin nicht schon längst gab. Auch Benno Koch, der Fahrradbeauftragte des Senats, hat nach der 105-Kilometer-Tour nur die Straßenschäden zu monieren. „Aber die Leute haben einen super angefeuert, es war richtig gut.“ Und nachdem er mit seinem Tourenrad einen 33er-Schnitt geschafft hat, ist ihm auch nicht mehr bange vor der großen Sternfahrt am nächsten Sonntag, bei der er von Stettin nach Berlin fahren will. Dabei hofft er auf viele Mitfahrer, weil es sich im Windschatten stets am besten rollt. Stefan Jacobs

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false